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Heimlicher Wahlkampf

Ein Beitrag aus der sechsteiligen BBC–Reihe „Secret Society“ des Journalisten Duncan Campbell, in dem es um verfassungswidrige und illegale Wahlkampfpraktiken der Konservativen Partei geht, ist in der letzten Woche vom Programm der öffentlich–rechtlichen Fernsehanstalt abgesetzt worden. Dem Bürger, so entschied damit die BBC–Spitze, könne eine Aufklärung über die schmutzigen Wahlkampfstrategien der Tories in der Vergangenheit im gegenwärtigen Wahlkampf nicht zugemutet werden. Schon der erste Teil der Serie über die britische Geheimgesellschaft war im Januar auf Druck der Regierung vom Programm abgesetzt worden. Die taz hat sich eine Kopie des nun abgesetzten Wahlkampf–Beitrags ansehen können. Danach startete die Regierung Thatcher nach Festlegung des letzten Wahltermins auf das Frühjahr 1983 bereits im Herbst 82 eine gezielte Kampagne zur Diskreditierung führender Mitglieder der Friedensbewegung (CND). Über das so weitverzweigte wie geheime Netz zahlreicher Kabinettsausschüsse, das unter Margret Thatcher zu einem subtilen Instrument verdeckter Regierungsarbeit ausgebaut wurde, gründete man verschiedene Anti– CND–Gruppen, um Falschinformationen über die Friedensbewegung unters Volk zu streuen. Nach der Stationierung der amerikanischen Cruise Missiles in Großbri tannien und der Entscheidung, die veraltete Polaris–Flotte durch vier neue Atom–U–Boote der Trident– Klasse zu ersetzen, befürchtete die Regierung Thatcher, die Popularität der Friedensbewegung könne der oppositionellen Labour Partei zum Wahlsieg verhelfen. So erhielt das als Wohlfahrtsorganisation getarnte „British Atlantic Committee“, eine offiziell unabhängige Organisation, die tatsächlich durch Regierungsmitglieder gesteuert wurde, finanzielle Unterstützung aus dem Außenministerium, ehe allzu offensichtlich wurde, daß die „Erziehungsarbeit“ reiner Tory–Propaganda gleichkam. Eine andere Anti– CND–Truppe, die „Coalition through Peace and Security“, bezog ihre Finanzen dagegen teilweise von der amerikanischen „Heritage Foundation“, Präsident Reagans rechtsgerichtetem „think tank“ (vgl. dazu nebenstehenden Artikel). Die für „karitative und erzieherische Zwecke“ über den Atlantik geschickten 60.000 $ wurden dazu benutzt, Straßenbanden zu finanzieren, die auf CND–Veranstaltungen für Randale sorgen sollten. Ihrem verfassungsmäßigen Status nach neutrale Beamte nahmen an Sitzungen eines „Special Liaison Committee“ teil, das unter anderem ein Flugblatt entwarf, auf dem die britische Bulldogge dem russischen Bär die Zähne zeigte. „Den Bär müssen wir bringen“, soll Frau Thatcher auf diesen Sitzungen mehrmals enthusiastisch ausgerufen haben, ohne sich daran zu stören, daß hier politisch neutrale Staatsbeamte an der Entwicklung konservativer Parteipropaganda mitwirkten. Anfang 1983 gründete der damalige Verteidigungsminister Michael Heseltine schließlich die Sonderabteilung „DS 19“, die angeblich die Öffentlichkeit über die nukleare Strategie der Regierung aufklären sollte. In Wirklichkeit klopften die DS–19–Leute jedoch bald beim Geheimdienst MI 5 an, fragten nach Literatur und Informationen über führende Mitglieder der Friedensbewegung und regten das Abhören ihrer Telefone an. Zu Ostern 1983 kam dann Verteidigungsminister Heseltine mit seinen Einzelheiten über die kommunistische Unterwanderung der Friedensbewegung groß heraus und leistete damit seinen Beitrag zum anschließenden Wahlsieg der Konservativen. Was 1983 geklappt hat, wollen die Tories bei diesen Wahlen offensichtlich wiederholen. Schon im vergangenen Herbst wurde ein neuer Ausschuß gegründet, um die Kampagne auf dem Feld der sogenannten Verteidigungspolitik gegen Labour und die sozial–liberale Allianz vorzubereiten. Der ehemalige Chef von DS 19 und jetzige Direktor der Pubic–Relations–Abteilung im Verteidigungsministerium, John Ledlie, hat wie weiland 1983 wieder einen halbstündigen Propagandafilm über die Landesverteidigung drehen lassen, dessen „einseitige Perspektive“ er offen zugibt. Daß hier mit 600.000 DM Steuergeldern konservative Parteipropaganda für den Wahlkampf finanziert wird, scheint bei den Tories niemanden zu stören, solange die Öffentlichkeit nichts davon weiß. Und noch eine andere langfristig angelegte Kampagne weist - was Hintermänner, Methoden und ihren Erfolg angeht - Ähnlichkeiten mit der Diskreditierungsstrategie gegen die Friedensbewegung auf: die seit einem Jahr regelmäßig von konservativer Seite gegen kritische Journalisten und vor allem die BBC vorgebrachten Anschuldigungen einseitiger und regierungsfeindlicher Berichterstattung. Nicht zuletzt aufgrund dieser oft wiederholten Vorwürfe hat die BBC jetzt den Beitrag über das verfassungswidrige „Power Play“ vom Programm abgesetzt.

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