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West–Berlin erwartet Mammut–Polizeieinsatz

■ 10.000 Polizeibeamte sollen Reagan während seines Besuches in West–Berlin schützen / Hinzuziehung von Beamten aus der Bundesrepublik verstößt gegen Alliierten–Status der Stadt / Offiziell soll ein „Volksfest“ gefeiert werden

Von Martin Wollenberg

Berlin (taz) - West–Berlin steht nächste Woche der wahrscheinlich größte Polizeieinsatz der Nachkriegszeit bevor. Insgesamt 10.000 Beamte, darunter auch die Freiwillige Polizeireserve, sollen aufgeboten werden, wenn am 12. Juni für genau dreieinhalb Stunden US–Präsident Reagan als Gratulant zur 750–Jahr–Feier in der Stadt weilt. Plötzlich ist auch das Unmögliche möglich: War bislang die hohe Polizeidichte und die regelmäßige personelle Aufrüstung der Ordnungskräfte in West–Berlin immer damit begründet worden, daß der alliierte Status ein Hilfeholen aus der Bundesrepublik nicht zuläßt, so kommen jetzt 1.000 Polizeibeamte aus den verschiedensten Bundesländern in die Halbstadt. Um den polizeilichen Import hat in den letzten Monaten ein bemerkenswerter informationspolitischer Eiertanz stattgefunden. Als am 2. und 3. April in Berlin die Innenministerkonferenz tagte, fragte Innensenator Wilhelm Kewenig erstmals bei seinen Kollegen aus den Ländern nach Unterstützung für den Reagan–Besuch an. Damals wurde in der Berliner Opposition sofort Empörung laut, was den Senator zu einem schnellen Dementi veranlaßte. Bis heute ist, wie der AL–Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland kritisierte, nur „tröpchenweise“ durchgesickert, daß die westdeutschen Beamten doch zum Einsatz kommen sollen. Dabei sind eindeutige Abmachungen schon unmittelbar im Anschluß an die Innenministerkonferenz getroffen worden: „Daß wir eine Hundertschaft schicken, war schon vor Monaten klar“, erklärte der Sprecher des hessischen Innenministeriums auf Anfrage. Um mit den Transitvorschriften nicht in Konflikt zu kommen, sollen die nach Berlin beorderten Einsatzfahrzeuge mit überklebten Hoheitszeichen durch die DDR fahren. Nach neuesten Informationen werden die 1.000 Polizeibeamten nun per Flugzeug anreisen. Den alliierten Vorschriften zufolge ist West–Berlin kein Land der Bundesrepublik. Somit darf kein Ordnungshüter zum Beispiel mit dem hessischen Löwen am Revers den Kurfürstendamm schützen. Daher werden die importierten Beamten Aufkleber oder Armbinden mit dem Berliner Bären tragen. Der ganze Aufwand gilt vor allem einer Großdemonstration, die ein aus über 130 Gruppen bestehendes Aktionsbündnis trägt. Die Demo soll am Vorabend von Reagans Ankunft durch die Innenstadt und über den Kurfürstendamm führen. Inzwischen liegt ein Beschluß des Bündnisses vor, daß ein Polizeispalier, auch wenn es nur den in der Mitte des Zuges laufenden autonomen Block begleitet, nicht geduldet werden soll. Wenn Präsident Reagan am 12.6. das Brandenburger Tor besichtigt, sollen an mehreren Punkten in der Innenstadt Kundgebungen stattfinden. „Die Demo am Vorabend und die Aktionen am Besuchstag bilden eine Einheit“, erklärt Bernd Lupfer von der Berliner Alternativen Liste. Damit soll die Aufspaltung in einen „Friedensmarsch am Vorabend“ und mögliche militante Aktionen der Autonomen am Folgetag, wie es beim Reagan–Besuch 1982 vorgekommen war, verhindert werden. In der Vorwoche des Präsidentenbesuches findet unter dem Stichwort „Hönkel“, das etwa mit „Widerstand mit Lebensfreude“ übersetzt werden kann, eine Aktionswoche statt. Täglich stehen rund sieben Informationsveranstaltungen, Kiezküchen oder phantasievolle Vorhaben, etwa eine lärmende Teufelsaustreibung in der Nacht vor Reagans Ankunft auf dem Programm. Während des Präsidentenbesuchs im Juni 1982 hatte es auf dem Nollendorfplatz eine schwere Straßenschlacht gegeben. Knapp ein Jahr später veröffentlichte der damalige Landespolizeidirektor Freund in einer Fachzeitschrift ein Resümee der polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld und währed des Besuchstages. Zentraler Begriff der Untersuchung war das „Binden der Störer“. dem Reaganbesuch polizeiliche Willkürmaßnahmen. Polizei und Justiz setzen derzeit auf eine harte Linie. Allein im letzten Monat wurden in West–Berlin 93 Personen bei Demonstrationen festgenommen und 55 Haftbefehle erlassen. Seit gestern finden bei der Einreise nach West–Berlin verschärfte Kontrollen statt. Allerdings steht die Polizei hier vor erheblichen Problemen. Der Beginn der Aktionswoche gegen den Reagan–Besuch fällt mit dem Pfingst–Reiseverkehr zusammen. Außerdem finden vor dem Berliner Reichstag am Wochenende drei Mammutkonzerte statt, zu denen 15.000 meist junge Besucher von auswärts erwartet werden. Die Polizei fürchtet nun, daß westdeusche Autonome „als Pfingsttouristen“ einreisen. Offiziell soll der Besuch des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan in Berlin zu einem „Volksfest“ werden. Die Veranstaltungen während des rund vierstündigen Besuches sollten „so offen und fröhlich wie möglich“ stattfinden, sagte der US–Gesandte John Kornblum. LIEBE FREUNDE UND KOLLEGEN! Bitte, bitte, kommt nicht auf die gefährliche Idee, das Foto unter einem Zwang heraus abschneiden zu müssen, nur weil der Kasten so hoch ist. Diese Aktion fällt unter die „kreative Tat vorm Wochenende“ - deshalb soll der Kasten in die Illustration reinlappen. Basta. (Und wenn schon Höhenverminderung, dann evtl. oben eine Zeile

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