: Scherings Pillengeschäfte fast ohne Knick
■ Hauptversammlungsthemen: Umsatzrückgang durch Dollarkurs– und Rohstoffpreis–Verfall / Zwölf–DM–Dividende / Kooperation mit Tierversuchsgegnern / Kritik an Pharma–Politik in der Dritten Welt
Aus Berlin Georgia Tornow
Als am letzten Dienstag im mit den grünen Firmenfahnen dekorierten Berliner Internationalen Congress Centrum (ICC) die Hauptversammlung der Schering AG abgehalten wurde, konnte der Vorstand den versammelten Aktionären durchaus einiges bieten: die seit 1984 üblichen zwölf DM Dividende auf die 50–Mark–Aktie; für den kleinen Hunger „Spargel satt“, für den großen „Spargel Vinaigrette“ als geselligem Teil der Hauptversammlung; dann noch den durchaus souveränen Umgang mit gleich zwei Gruppen kritischer Aktionäre, den Berliner Tierversuchsgegnern und der Schering–Gruppe innerhalb der Pharma–Kampagne des „Bundeskongresses Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen“ (BUKO). Aus dieser Gruppe lagen sogar zwei Anträge auf Nicht–Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat auf dem Tisch. Von vornherein war jedoch klar, daß diese Mißtrauenserklärung keine Mehrheit finden würde. Dafür drohten aus ganz an derer Ecke peinliche Nachfragen, denn der Vorstand hatte sich ein besonders dummes Eigentor geleistet. Immerhin war es ihm gelungen, die Darstellung des Konzernergebnisses auf der wie üblich der Hauptversammlung vorangehenden Bilanzpressekonferenz am 7. Mai so schlecht zu verkaufen, daß die Schering–Aktie innerhalb von drei Börsentagen 15 % ihres Kurswertes einbüßte. Auf der Hauptversammlung übte sich der Vorstand in Vorwärtsverteidigung: Selbst die europäische Ausgabe des Wallstreet Journal habe gelobt, das Unternehmen, schon immer bekannt für seine außerordentlich offene finanzwirtschaftliche Informationspolitik, sei in diesem Fall Opfer seiner eigenen Courage geworden. Da mochten dann auch die Vertreter der „Gemeinschaft der Kleinaktionäre“ oder der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ nicht mehr hart nachfassen, zumal der Kurs der Schering–Aktie inzwischen wieder auf Normalniveau angelangt ist und in der Zwischenzeit so günstige Zukäufe möglich waren. Das Management kann die Schering AG als im Kern gesund präsentieren. Schließlich gab es auch 1986 einen Bilanzgewinn von 108 Millionen DM. Vorschlag des Vorstands: 40 Millionen sollen in die Rücklagen gehen, die verbleibenden 68 Millionen zur Ausschüttung an die Aktionäre kommen. Beifall im Saal. Schering ist ein „liberaler Chemiekonzern“, das attestieren übereinstimmend auch die kritischen Aktionäre. Trotz der ge eine politisch–ökologische Grundsatzrede halten und erhielt dafür breiten Beifall. Hintergrund für diese erstaunliche Akzeptanz ist der Kooperationsversuch zwischen Schering und den Tierversuchsgegnern, der im März zu einem Symposion über „Alternativen zum Tierversuch“ geführt hat und dessen Ergebnisse bis in die Vorstandsposition abfärben: Schering will ganz ohne Tierversuche auskommen Wieviele Dackel arbeiten denn augenblicklich bei Schering?, d.K., verstärkt andere Testmethoden erforschen und sich für die gesetzliche Anerkennung dieser Ersatzverfahren einsetzen. Ein Lernprozeß nicht ohne ökonomisches Kalkül, denn Tierversuche dauern lange und sind teuer. Ganz anders die Aufnahme der Kritischen Aktionäre von der BUKO–Pharma–Kampagne. In ihren Anträgen warfen sie dem Vorstand vor, auch bedenkliche Medikamente, die vom einheimischen Markt bereits zurückgezogen seien, in der Dritten Welt zu vermarkten. Der Arzt und frühere Entwicklungshelfer Robert Hartog nannte das eine „miese Geschäftspolitik“. In einem zweiten Antrag wurde gerügt, daß hungernde Menschen in der Dritten Welt das Schering–Multivitaminpräparat Pernexin kauften, weil die Werbung ihnen vorgaukele, es helfe gegen Unterernährung. Der Beifall für diese Beiträge war dünn. Dafür setzte sich der Vorstand mit den Vorwürfen besonders intensiv auseinander. Tenor war die Verteidigung der Unbedenklichkeit einzelner Medikamente. Die BUKO–Pharma–Kampagne hat besonders den Verbraucherschutz in den armen Ländern der Dritten Welt zu ihrer Aufgabe gemacht. Im Klartext bedeutet das häufig, daß außer zur Behandlung akuter Krankheiten Geld nicht in Medikamente, sondern in die Verbesserung von Hygiene und Ernährung gesteckt werden sollte. Dafür zu werben, läßt wenig Raum für Kooperation mit der Pharma–Industrie. Die Broschüre „Dritte Wahl für die Dritte Welt - Die Schering–Pharma–Politik“ kann für fünf Mark bei der BUKO–Pharma–Kampagne, Dritte–Welt–Haus, August–Bebel–Str. 62, 4800 Bielefeld 1, bestellt werden.
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