Bezeugt Poindexter Reagans Mitwisserschaft?

■ Zweite Runde der Irangate–Anhörungen / Zeugenaussagen von North unklar, er „verhandelt“ noch / Im Mittelpunkt nicht mehr privates Contra–Hilfswerk, sondern die verfehlte Iran–Geisel–Initiative / Poindexters Aussage am 7. Juli wird mit Spannung erwartet

Aus Washington Stefan Schaaf

Kurz vor Beginn der nächsten Runde der „Irangate“–Hearings in Washington wächst die Möglichkeit, daß der mutmaßliche Hauptakteur der Affäre, Oberstleutnant Oliver North, gar nicht in den Zeugenstand treten wird. Zwar hatte der zackige Leutnant im November noch beteuert, niemand wünsche so sehr wie er, seine Version der Ereignisse der Öffentlichkeit darzubieten, doch hat North inzwischen seine Haltung geändert. Als er in der vergangenen Woche von den Anwälten des Untersuchungsausschusses hinter verschlossenen Türen zum erstenmal vernommen werden sollte, erschien statt North dessen Anwalt und verkündete, es werde nur eine öffentliche Befragung seines Klienten geben. Dies ist nicht der erste Knüppel, den North dem Irangate–Komitee zwischen die Beine wirft. Weder wollte er Sonderankläger Walsh eine Handschriftenprobe liefern, noch war er bisher bereit, dem Ersuchen des Ausschusses um entscheidende Dokumente nachzugeben. Den Parlamentariern im Untersuchungsausschuß bleiben wenige Mittel, um den Manövern des Oberstleutnants zu begegnen, denn falls sie ihn wegen „Mißachtung des Kongresses“ vor Gericht zu bringen versuchen, können sie jede Hoffnung aufgeben, ihn in nächster Zeit in den Zeugenstand ihres Komitees zu bringen. Ein solcher Rechtsstreit würde sich lange hinziehen und bis zu seinem Abschluß wäre die Untersuchung lahmgelegt. Norths Hartnäckigkeit erregte vor allem deswegen Ärger, weil er wenige Tage zuvor Immunität für alle Straftaten, die durch seine Zeugenaussage aufgedeckt werden, zugestanden bekam. Doch dieser Schutz reicht seinem Anwalt nicht aus, vor allem, da Sonderankläger Walsh bereits an einer Anklage bastelt. So ist bisher ungeklärt, wann North das Versprechen vom November erfüllen und seine Geschichte erzählen wird. Sicher ist dagegen, daß am 7. Juli Norths ehemaliger Vorgesetzter, Ex–Sicherheitsberater Poindexter, seinen großen Auftritt haben wird. Poindexter war kooperativer und hat bereits vor den Anwälten des Untersuchungsausschusses ausgesagt. Wenn die Bemerkung eines ungenannten Abgeordneten gegenüber der Washington Post zutrifft, hat Poindexter „sehr, sehr explosive“ Details zu bieten, die vom ersten Tag seiner öffentlichen Aussage an Schlagzeilen machen werden. Auch von den übrigen Hauptzeugen der zweiten Runde - darunter Ex–Stabschef Don Regan, Justizminister Meese, Außenminister Shultz und Verteidigungsminister Weinberger - werden Aussagen erwartet, die nicht nur Reagan, sondern auch andere Kabinettsmitglieder in ernste Schwierigkeiten bringen werden. Schwerpunkt der Hearings soll nun nicht mehr die private Nachschuboperation für die Contras, sondern die verunglückte diplomatische „öffnung“ zum Iran sein, die sehr rasch zu einem plumpen Waffen–gegen–Geisel–Deal wurde. Größtes Interesse gilt dabei einem Dokument, in dem die Verknüpfung beider Initiativen beschrieben wird. Oliver North war der Autor dieses Memorandums, das explizit vorschlug, 12 Millionen Dollar der Profite aus dem Waffengeschäft mit dem Iran für „von der Contra dringend benötigter Güter“ zu verwenden. North hatte im November, als er von Justizminister Meese vernommen wurde, behauptet, das Dokument sei nur von Poindexter und niemandem anderem gesehen worden. Gleichzeitig hatte er sich aber besorgt nach dem „Deckblatt“ des Memos erkundigt, auf dem vermerkt gewesen wäre, für wen es bestimmt war. Ein solches Deckblatt ist bis heute nicht gefunden worden, und falls es noch auftauchen sollte, könnte es der entscheidende Beweis werden, daß Präsident Reagan doch von der Abzweigung der Gelder gewußt hat. Lee Hamilton, der dem Untersuchungsausschuß des Repräsentantenhauses vorsitzt, prophezeite vor einigen Tagen, daß ein solcher Beweis für Reagans Mitwisserschaft die Forderung nach „Impeachment“ - einer Art Mißtrauensantrag - des Präsidenten nach sich ziehen werde. Der kühle und besonnene Abgeordnete aus Indiana zögerte einige Sekunden, bevor er das entscheidende Wort, das vor ihm noch kein Mitglied des Komitees über die Lippen gebracht hatte, aussprach. Ein solcher Beweis wäre eine politische Sensation, die alles, was bisher an politischer, finanzieller und moralischer Koruption der in den Skandal Verwickelten ans Tageslicht gekommen ist, in den Schatten stellen würde.