Kirchentag gegen Hinrichtungen in Chile

■ Resolution fordert Bundesinnenminister Zimmermann zur Aufnahme der 14 chilenischen Todeskandidaten auf / Ovationen von 80.000 Menschen für Predigt des schwarzen Südafrikaners Allan Boesak gegen Apartheid zum Abschluß des 22. Evangelischen Kirchentages

Berlin/Frankfurt (taz) - Der 22. Evangelische Kirchentag in Frankfurt forderte Bundesinnenminister Zimmermann am Sonntag in einer Resolution auf, die 14 chilenischen Todeskandidaten vor der Hinrichtung durch das Militärregime zu retten und ihnen politisches Asyl zu gewähren. „Die Bedenken des Bundesinnenminsisters“, so das Anliegen der Kirchentagsbesucher, „daß diese Menschen eine Gefährdung für die Bundesrepublik darstellten“, könnten nicht geteilt werden. „Gerade am 16. Juni sind wir Zeuge der terroristischen Ermordung von 12 Menschen durch das Regime geworden. Außerdem wurden vier Menschen entführt, die bis heute verschwunden sind, darunter ein dreijähriges Mädchen.“ Die Laienversammlung fordert die Bundesregierung auf, für die Entführten zu intervenieren. Die vom Kirchentag angenommene Resolution war, mit mehr als 4.000 Unterschriften versehen, von der Initiative „Internationale Christen für Chile“ und den verschiedensten Chile– Solidaritäts–Komitees eingebracht worden. „Die Gemeinde befreit die Gefangenen und zerbricht das Joch der Unterdrückung, sie heilt die Kranken und öffnet die Gefängnisse, sie nimmt die Flüchtlinge auf und schützt die Fremden“, appellierte der Präsident des Reformierten Weltbundes, der schwarze Südafrikaner Allan Boesak, in der Abschlußpredigt des Kirchentages an das christliche Engagement der 80.000 Abendmahlsteilnehmer. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Reportage auf Seite 5 Bericht aus Chile auf Seite 6 Boesak, der sich den gelben Schal der Apartheid–Gegner umgelegt hatte, verhieß das „neue Jerusalem“, auf das nicht bis zur Ewigkeit gewartet werden müsse, sondern das „aus der Asche all dessen entsteht, was heute Pretoria heißt“. Unter minutenlangem Beifall forderte der Südafrikaner, die Kirche in Deutschland möge den „Zeichen der Solidarität nun Taten folgen lassen“. Immer wieder sprangen Zuhörer während der Anschlußveranstaltung jubelnd von den Sitzen auf und schwengten Mützen, Schals oder Programmhefte. Schlüssig ergab sich aus dieser herzliche Zustimmung zu den Worten des Südafrikaners das Pfeifkonzert, mit dem Bundeskanzler Helmut Kohl und der neue hessischen Ministerpräsident Walter Wallmann empfangen worden waren. Der Kirchentag, zu dessen Abschluß neben der Anti–Apartheidpolitik eine Ökumäne zwischen Prostestanten und Katholiken zum zentralen Thema veranstaltet wurde, war von Willenskundgebungen zu zahlreichen aktuellen innenpolitischen Entwicklungen begleitet. Rund 90 Prozent der ZuhörerInnen der Veranstaltung „Haben wir Demokratie gelernt“ stimmten einer von den Jungdemokraten eingebrachten Resolution gegen die Volkszählung zu und forderten die Bundesregierung und Statistischen Ämter auf, von jeder Verfolgung der Boykotteure abzusehen: „Die große Zahl der nicht abgegebenen Bogen und die große Zahl derer, die der Volkszählung ablehnend gegenüberstehen und nur aus Angst vor Strafe den Bogen ausgefüllt haben, zeigt, daß die Volkszählung gescheitert ist.“ Zu morgendlichen Andachten, Bibelarbeiten und Diskussionsforen kamen täglich 70.000 Menschen zusammen, um über Frieden, Umwelt, Flüchtlinge und Gesundheit zu diskutieren. 40 000 zogen allein am Samstag zu einer Prostkundgebung gegen die Apartheid–Politik in Südafrika durch die Frankfurter Innenstadt. k.k.