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Kadars Ablösung weiter verschoben

■ Etwa 40 Prozent der ungarischen Bevölkerung leben unterhalb des Existenzminimums Der neue Ministerpräsident soll den Ungarn den Gürtel noch enger schnallen

Von Hubertus Knabe

Budapest (taz) - Seit Ende der siebziger Jahre ist Ungarn tiefer und tiefer in die wirtschaftliche Krise gerutscht. Die Pro–Kopf–Verschuldung des Landes ist die höchste im Warschauer Pakt, Ungarn bewegt sich beständig am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Ein beträchtlicher Teil der Großbetriebe arbeitet permanent in den roten Zahlen, so daß vergangenes Jahr erstmals im sozialistischen Lager ein Konkursgesetz und die Einführung einer Erwerbslosenhilfe beschlossen wurden. 200.000 Menschen, sagt die Budapester Führung, werden in den nächsten Jahren ihren angestammten Arbeitsplatz verlieren, und schon heute leben nach offiziellen Schätzungen rund 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb des Existenzminimums, weil Inflation und Reallohneinbußen die Haushaltskassen beuteln. In dieser Situation, so die Pateistrategen, braucht das Land einen entscheidungsfähigen Ministerpräsidenten. Unpopuläre Entscheidungen wie die Einführung einer Einkommenssteuer und die Schließung unrentabler Betriebe erfordern einen starken Mann, der der Bevölkerung beibringt, den Gürtel enger zu schnallen. Zudem soll die Schuld für die zu erwartende Verhärtung der Wirtschafts– und Sozialpolitik weg von der Partei und hin zur Regierung verlagert werden, wo in Zukunft alle wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen gefällt werden sollen. Der bisherige ZK–Sekretär für Wirtschaftsfragen, Ferenc Havasi, der seit vielen Jahren aus dem Politbüro die ungarische Ökonomie gesteuert hat, ist deshalb durch einen unbedeutenden Abteilungsleiter in seiner Funktion ersetzt worden. Ob der neue ungarische Ministerpräsident, der 57jährige Karoly Grosz (bisher Parteichef von Budapest), die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann, bleibt abzuwarten. In Budapest gilt er - womöglich ungerechtfertigt - als Stalinist, weil er sich in einer Rede selbstbewußt zu seiner Verantwortung für die diktatorischen fünfziger Jahre bekannt hat. Die Frage ist vor allem, ob er als Ministerpräsident genügend Macht hat, die überfällige Erneuerung in Politik und Wirtschaft einzuleiten. Denn den entscheidenden Schritt zur Behebung der sich verschärfenden Krise, die Ablösung des greisen Parteichefs Janos Kadars, haben die ung in Kämpfen um das Kadar–Erbe aufreiben.

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