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D O K U M E N T A T I O N Warum wollte die BRD Barbie nicht haben?

■ Auszüge aus der Kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag vom 29.5.87 zum Fall Barbie

Gegen Klaus Barbie, alias Klaus Altmann, wird derzeit in Lyon in Frankreich wegen des Vorwurfs der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, u.a. wegen Beteiligung an zahlreichen Mordtaten im von deutschen Truppen besetzten Frankreich, ein Strafprozeß durchgeführt. Klaus Barbie wurde am 15. Okt. 1913 in Bad Godesberg als Kind deutscher Eltern geboren und ist somit Deutscher. Klaus Barbie hat die in Lyon angeklagten Straftaten in Frankreich 1943/44 als Angehöriger deutscher Polizeidienststellen und auf Anweisung deutscher Stellen begangen. Klaus Barbie steht als Nummer 239 auf der UNO–Liste der international gesuchten Kriegsverbrecher. Er wurde u.a. am 24. Nov. 1954 durch das Militärtribunal in Lyon in Abwesenheit wegen Mordes zum Tode verurteilt. Von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München wurde wegen Verdachts des Mordes viele Jahre lang ermittelt. 1971 erging gegen Barbie ein Haftbefehl wegen Mordes vom Amtsgericht Augsburg. Im März 1982 wurde ein Auslieferungsersuchen an Bolivien gestellt, wo sich Klaus Barbie seit 1951 unter dem Namen Klaus Altmann aufhielt und 1957 einbürgern ließ. Dies vorausgeschickt, fragen wir die Bundesregierung: Trifft es zu, daß am 4. Februar 1983 dem Vertreter der Bundesrepublik in Bolivien, dem Botschafter Hellmut Hoff, durch den bolivianischen Innenminister die Abschiebung des in der BRD mit Haftbefehl gesuchten Klaus Barbie in die Bundesrepublik angekündigt wurde? Trifft es zu, daß der damalige bolivianische Präsident Siles Suazo selbst im Februar 1983 dem deutschen Botschafter angeboten hatte, Klaus Barbie mit dem nächsten Flugzeug in die Bundesrepublik zu schicken? Trifft es zu, daß der bundesdeutsche Botschafter die Vorschläge zur Übernahme des in der Bundesrepublik wegen Mordes gesuchten Mannes abgelehnt hat und daß die BRD sich endgültig geweigert hat, Barbie zu übernehmen? Welches waren die Gründe für das Verhalten der Bundesregierung und des bundesdeutschen Botschafters? Sind der Bundesregierung aus der Zeit seit 1982 andere Fälle bekannt, daß die Übernahme einer Person, die in der BRD wegen des Vorwurfs des Mordes per Haftbefehl gesucht wurde und deren Auslieferung beantragt worden war, durch bundesdeutsche Behörden trotz Drängens des um Auslieferung ersuchten Landes verweigert wurde? Trifft es zu, daß Klaus Barbie nach 1945 zunächst für die „Organisation Gehlen“ und später für die Bundesbehörde BND (Bundesnachrichtendienst) gearbeitet hat, wie dies u.a. der 1978 pensionierte BND–Mitarbeiter Kukuk angegeben hat? Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung der Grund für die Beschäftigung des Gestapo– Mannes im bundesdeutschen Geheimdienst? Wie lange dauerte die Zusammenarbeit zwischen dem BND und Barbie? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Klaus Barbie seit 1960 häufig zum Teil auch für Wochen in der Bundesrepublik gewesen ist, so u. a. 1964 in Westberlin, im April 1971 in Hamburg, Anfang 1978 und zuletzt im November 1981? Trifft es zu, daß bundesdeutsche Behörden von solchen Aufenthalten Barbies in der Bundesrepublik Kenntnis hatten? Welches waren die Gründe nach Auffassung der Bundesregierung dafür, daß trotz Haftbefehl und Ermittlungsverfahrens Klaus Barbie unbehelligt in der Bundesrepublik reisen konnte?

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