: Alter Wein in neuen Schläuchen
■ Unter den Fittichen Syriens wurde im Libanon eine neue moslemische Oppositionsfront gegen Präsident Gemayel gegründet / Christen wollen durch Gründung einer „Regierung der Freiheit und Unabhängigkeit“ für ein Ende der syrischen Hegemonie im Libanon sorgen
Aus Beirut Petra Groll
Wenn in der Politik nichts mehr geht, dann wird schnell ein neues Gremium gebildet, das mit der aufdringlichsten Problematik betraut wird und allein schon aus seiner Existenz Erfolg ableitet. Das Volk ist beruhigt, die Herrschenden haben Zeit gewonnen. Genauso funktioniert es auch im Libanon. Nichts ging mehr, als am 1. Juni Premierminister Karameh bei einem Bombenattentat ums Leben kam. Allseits wurde gar ein erneuter Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges befürchtet, Verhandlungen zwischen den größtenteils mit Syrien verbündeten moslemischen Oppositionsparteien und der christlich–maronitischen Regierungsminderheit, die ihre Allianzen eher mit Westmächten wie Frankreich, den USA, der BRD oder gar Israel zu knüpfen pflegt, schienen ein für allemal unmöglich geworden. Ein Hintertürchen wurde, wie schon so oft, in der syrischen Hauptstadt Damaskus geöffnet. Als erstes brachte die syrische Ziehmutter die beiden mächtigsten moslemischen Kriegsherren an einen Tisch: Nabih Berri, Chef der schiitischen Sammelbewegung Amal und Walid Jumblatt, Führer der drusischen Progressiven Sozialistischen Partei (PSP), die noch im Feburar erbitterte Straßenkämpfe um die Macht in der Hauptstadt Beirut befehligt hatten. Nach wochenlangem polemischen Catch–as–catch can entdeckten die beiden Politiker Ansätze einer Verständigung. Schon Mitte Juni war von der Gründung einer neuen Vereinigten Front für Unabhängigkeit und Freiheit (FULL) die Rede. Politisches Ziel dieses erneuten Versuchs, die moslemische Opposition Libanons unter einen Hut zu bringen, ist es, die herrschenden Maronitenclans des Landes zu einer demokratischen Neuverteilung der Macht zu zwingen und die drohende Kantonisierung des Libanons zu vermeiden. Freilich nahm allein die Vereinigung der Protagonisten, PSP und Amal, einige Zeit in Anspruch. Während die PSP von Amal fordert, ihren Alleinvertretungsanspruch für die Region Südlibanon und die von Israel besetzten Gebiete aufzugeben, verlangt Amal von den Drusen, daß sie von ihrer lokalen Verwaltung in den Shouf–Bergen Ab stand nehmen. Auch die Aussöhnung zwischen Amal und der libanesischen KP stieß auf Schwierigkeiten. Das Ansinnen der Schiitenbewegung, die KP solle öffentlich bestätigen, daß Amal nichts mit den Attentaten gegen führende KP–Kader zu tun hat, führte zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen. Immerhin aber gediehen die Kontakte soweit, daß für Mitte dieser Woche die offizielle Gründung der „FULL“ angekündigt wurde. Unter der neuen Etikette vereinigt werden sollen neben Amal, PSP, KP auch die pro–syrische libanesische Baath–Partei, die nasseristische Volksorganisation und die progressive sozialistische Nationalpartei, so letztere eine Spaltung in den eigenen Reihen überwinden kann. Auch prosyrische Christen und Altpräsident Suleyman Franghie sind mit von der Partie. Für Mittwoch war in Beirut die offizielle Gründungsveranstaltung geplant, wurde jedoch vertagt, weil sowohl der syrische Staatspräsident Assad als auch sein Vize Abdel Halim Khaddam die entsprechenden libanesischen Führungsfiguren zu einer weiteren Palaver–Runde nach Damaskus gerufen haben. Auch wenn die damascener Meister vorerst mit den international zweifellos wichtigeren Besuchen des jordanischen Premiers Rifai und des US–Sonderemissärs Walters beschäftigt sind, ihre Angelegen heiten in Geiselaffaire und Golfkrieg zu regeln, wird die offizielle Gründung der libanesischen Einheitsfront schon aus Pietätsgründen nicht länger als bis zum Wochenende auf sich warten lassen. Am Sonntag wird in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli der vierzigste Tag des Todes von Karameh zelebriert. Den syrischen Architekten der libanesischen Einheit bleiben somit noch einige Tage, die bislang dem neuen Oppositionsbündnis skeptisch gegenüberstehenden religiösen Würdenträger eines besseren zu überzeugen. Fast alle - bis auf die pro–iranischen schiitischen Notablen – stehen jedenfalls auf der Einladungsliste des Trecks nach Damaskus. Es gilt, sie einzuschwören auf ein Programm, das inhaltlich durchgängig alten Wein verspricht: gegen alle Teilungspläne Libanons, die Überwindung aller konfessionellen Grenzen, vereinigte Aktivitäten gegen die israelische Besatzung Südlibanons, eine vereinte Haltung gegenüber der militanten Präsenz der Palästinenser im Lande, vereinte Versuche, der libanesischen Wirtschaftskatastrophe zu begegnen und last not least, die Festschreibung besonderer Beziehungen zum syrischen Nachbarn. Womit auch der gröbste Streitpunkt zwischen dem überwiegend moslemischen Oppositionslager und den herrschenden Maronitenkreisen benannt wäre. Gerade hatte der Wind die ersten Töne der Oppositionsvereinigung von Damaskus nach Ostbeirut getrieben, da beeilte sich Dr. Samir Geagea, Hardliner und Führer der „forces libanaises“ (militärischer Arm der christlichen Einheitspartei Phalange), für die pro–westlichen Maroniten eine neue Forderung aufzustellen. In Anlehnung an die 1943 gebildete „Unabhängigkeitsregierung“, die damals das Ende der französischen Kolonialzeit herbeiführte, soll jetzt eine „Regierung der Unabhängigkeit und Freiheit“ das Ende der syrischen Hegemonie über Libanon herbeiführen.
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