Abschied von der Politik

■ Zum Bericht der ÖTV–Ausstiegskommission

Das ist nun das Ergebnis einer mehr als sechsmonatigen Kommissionsarbeit: Der geschäftsführende ÖTV–Hauptvorstand will „Grundzüge für die politische Wertung“ der Arbeitsergebnisse seiner Ausstiegskommission erarbeiten. Mit anderen Worten: Jetzt, nachdem unerwünschte Öffentlichkeit über die Arbeit der Atomlobby in der ÖTV–Kommission hergestellt wurde, besinnt sich die ÖTV–Spitze auf die Selbstverständlichkeit, daß es sich bei dem Atomausstieg nicht um eine technokratische, sondern eine politische Entscheidung handelt. Das hätte die Führung der zweitgrößten Einzelgewerkschaft im DGB auch früher haben können. Kommissionsarbeit mag durchaus sinnvoll sein, aber die politische Entscheidung muß an ihrem Anfang stehen und nicht an ihrem Ende. Es kann doch den Vertretern des ÖTV–Hauptvorstandes nicht entgangen sein, daß mindestens sechs Mitglieder dieser Kommission von vornherein klargestellt haben, daß sie keineswegs bereit sind, sich politisch auf den Boden des DGB–Ausstiegsbeschlusses zu stellen. Wenn sie dieses Gremium trotzdem einfach haben weiterwursteln lassen, war das nichts weiter als ein Abschied von der Politik. Jetzt gilt es, die Scherben wieder zusammenzukehren - innerhalb der ÖTV wie auch auf DGB–Ebene. Im Herbst dieses Jahres stehen die Bezirkskonferenzen der ÖTV auf dem Terminplan. Sie müssen nun nachholen, wozu die ÖTV– Führung nicht in der Lage war: eine klare politische Willenserklärung für den Ausstieg aus der Atomenergie zu formulieren, die nicht hinter den DGB–Beschluß vom letzten Jahr zurückfällt. Nur so könnte der Bericht der Ausstiegskommission dahin befördert werden, wohin er im Interesse der ÖTV und des DGB gehört - in den politischen Papierkorb. Martin Kempe