Bonn hebt Sanktionen gegen Syrien auf

■ Nach der amerikanisch–syrischen Wiederannäherung schreitet die Normalisierung zwischen Bundesregierung und der politischen Führung in Damaskus weiter fort / „Terrorismus“–Vorwürfe politisch nicht mehr opportun

Von Beate Seel

Berlin (taz) - Kaum zwei Wochen nach der amerikanisch–syrischen Wiederannäherung hat die Bundesregierung einen Teil ihrer Sanktionen gegen Syrien aufgehoben, die im November letzten Jahres wegen der Verwicklung syrischer Dienststellen in Anschläge beschlossen worden waren. Diplomatische Kreise bestätigten am Sonntag einen entsprechenden Bericht der Tageszeitung Die Welt. Danach beschloß das Kabinett letzte Woche, eine zugesagte Finanzhilfe in Höhe von 144 Mio. DM freizugeben. Als Begründung wurde die Bemühung Syriens genannt, sich vom „Staatsterroris mus“ zu lösen sowie sich für die Freilassung der deutschen Geiseln im Libanon einzusetzen. Die Sanktionen waren verhängt worden, nachdem in zwei Prozessen in London und Berlin eine syrische Verwicklung in Attentate zutage getreten war. Dem Schritt Großbritanniens, auch die diplomatischen Beziehungen zu dem nahöstlichen Land abzubrechen, war Bonn jedoch nicht gefolgt. Man nutzte die Gunst der Stunde und verschob die Ende letzten Jahres fällige Neubesetzung des Botschafterpostens in Damaskus auf April, als die Wogen gegenüber Syrien längst wieder geglättet waren. Nachdem nun der amerikanische UNO–Bot schafter Vernon Walters höchstpersönlich in Damaskus vorstellig geworden war, sah man in Bonn offenbar endgültig keinen Grund mehr, päpstlicher zu sein als der Papst, zumal die Haltung der westlichen Länder gegenüber Syrien auch Gegenstand des jüngsten Weltwirtschaftsgipfels in Venedig war. Die Wiederaufnahme hochrangiger offizieller Kontakte zu Syrien wurde auch am Montag auf einer Tagung der EG–Außenminister beschlossen. Die Zeichen der Zeit haben sich zweifellos geändert. Die Anprangerung Syriens als „staatsterroristisch“ entspricht heute nicht mehr der Interessenslage des Westens. Vielmehr geht es jetzt darum, die wichtige Regionalmacht in die westlichen Pläne einzubinden, sei es hinsichtlich der Situation am persisch–arabischen Golf oder möglichen Nahost– Friedensgesprächen. Nachdem Libyen aus der Dreierallianz der arabischen Hardlinerstaaten ausgeschert ist, soll nun das Bündnis zwischen Syrien und dem Iran endgültig ad acta gelegt und die Teheraner Führung politisch isoliert werden. Die Chancen dafür stehen gut, denn bereits Ende April ist es zu einem ersten Treffen zwischen den bisherigen Erzfeinden Hafez al Assad (Syrien) und Saddam Hussein (Irak) gekommen, dessen Sturz das offizielle Kriegsziel der Teheraner Führung im Golfkrieg ist. Auch die gegenwärtigen diplomatischen Bemühungen um eine Nahost–Friedenskonferenz haben wenig Sinn, wenn Syrien als Verbündeter der Sowjetunion und „Frontstaat“ zu Israel ausgeschlossen bleibt und jedwede Regelung torpedieren kann. Diese Einsicht ist sogar zu Ronald Reagan vorgedrungen, der Assad kürzlich einen Brief schrieb und damit die Normalisierung zwischen USA und Syrien einleitete. Da wird es selbst für den alten Herrn im Weißen Haus irrelevant, ob die Führer der Abu–Nidal– Gruppe in Damaskus oder in der syrisch kontrollierten, libanesischen Bekaa–Ebene sitzen.