: Vorwürfe gegen Milizchef Geagea
■ Der Führer der christlichen „Forces Libanaises“ wird für die Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten Raschid Karameh verantwortlich gemacht / Moslemische Verbalattacken gegen die Phalangepartei
Aus Beirut Petra Groll
Mehr als 30.000 Menschen haben am Sonntag an der traditionellen Zeremonie vierzig Tage nach der Ermordung des libanesischen Regierungschefs Raschid Karameh in Tripolis teilgenommen. Neben den derzeit wichtigsten Partei– und Milizchefs aus dem moslemischen Lager waren Parlamentsabgeordnete, religiöse Würdenträger, Gewerkschaftsdelegationen und eine knappe Handvoll ausländischer Diplomaten zu der Feier angereist. Für die in Syrien regierende Baath–Partei überbrachte deren stellvertretender Generalsekretär Abdallah el Ahmar die Trauergrüße. Ein ursprünglich aus diesem Anlaß erwarteter plitischer Akt blieb jedoch aus: Die seit Wochen diskutierte Gründung einer „Front für Einheit und Freiheit“ (FUL), ein unter syrischen Fittichen zusammengebasteltes Bündnis der moslemischen Oppositionsparteien, fand nicht statt. Offenbar sind die Einwände des schiitischen und sunnitischen Klerus, die vergangene Woche bei ei ner letzten Verhandlungsrunde in Damaskus vorgetragen wurden, noch nicht ausgeräumt. Die religiösen Würdenträger befürchten, mit der Gründung der FUL könnte die Rolle der Milizen im Libanon erneut gestärkt werden. Die zum Teil martialischen Redebeiträge in Tripolis zeigen, daß dies nicht aus der Luft gegriffen ist. Einzig Nabih Berri, der neben seinem Ministerposten auch das Amt des Parteichefs der Schiitenbewegung Amal bekleidet, sprach in seinem Beitrag die FUL direkt an. Berri, der als der am meisten von Syrien geförderte Politiker des Landes gilt, bezeichnete die Trauerfeier als einen „Nationalkongreß“, obgleich ein Großteil der Libanesen, nämlich die christlich–maronitische Phalangepartei von Staatspräsident Amin Gemayel, nicht vertreten war. Und dies nicht ohne Grund: Berri sprach sich am Sonntag energisch für eine „militärische Lösung“ der Konflikte zwischen der noch nicht aus der Taufe gehobenen Oppositionsfront und den Phalangisten aus, sollten sich auf politischer Ebene keine Möglichkeiten zur Verständigung ergeben. Walid Junblatt, Minister für Transport und Tourismus sowie Chef der drusischen PSP und neben Berri wichtigster Milizchef und Kriegsherr des Landes, nannte gleichfalls das Kind beim Namen: Er machte Samir Geagea, Chef der Phalangisten–Miliz „Forces Libanaises“ für das Attentat auf Karameh verantwortlich. Eifrige Recherchen der letzten Wochen hatten tatsächlich merkwürdige Aktivitäten Geageas, besonders in den Tagen vor dem Attentat, bekannt werden lassen, zum Beispiel Geheimtreffs des Milizchefs mit israelischen Militärs, Geheimdienstlern und Politikern. Derartige Veröffentlichungen führten prompt zum Verbot der Tageszeitung As Saphir in dem von der Phalange kontrollierten Ostteil der libanesischen Hauptstadt Beirut. Junblatt griff nicht nur die für die Sicherheit Karamehs verantwortliche libanesische Armee auf das Schärfste an, er richtete auch einen Appell direkt an die Christen des Landes: „Jetzt wo der Schah von Baabda (Präsident Gemayel, d.Red.) in der Mülltonne der Geschichte liegt, verbannt den Ziegenhirt Geagea aus euren Reihen, befreit euch von den Ketten des Imperialismus, kommt aus den Katakomben von Kaslik ans Licht der Justiz und Gnade!“ Auf der Veranstaltung, die ausnahmslos von allen Rednern als politische Bühne betrachtet wurde, fehlte es wahrlich nicht an markigen Worten, die beileibe nicht nur auf die mitunter blumigen Ausdrücke der arabischen Sprache zurückzuführen sind. Die schlichteren Worte des schiitischen Palamentspräsidenten Hussein Husseini brachten das politische Debakel auf den Punkt, das seit der Ermordung Karamehs die seit nunmehr dreizehn Jahren Bürgerkrieg zerstrittenen libanesischen Polit–Lager noch weiter voneinander entfernt hat: „Ist Karameh Opfer eines persönlichen Konfliktes geworden? Oder eines konfessionellen Konflikts? Ist er umgebracht worden, weil er Moslem war und Sunnit? Nein. Sie haben ihn umgebracht, weil er für die Einheit des Landes gestanden hat. Für die Freiheit, gegen Besatzung. Gegen Isolation und israelisches Protektorat.“
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