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■ Das toskanische 600–Seelen–Dorf Montmignaio will zur Sanierung der Gemeindefinanzen Toto spielen
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst, entschied der 15–köpfige Gemeinderat des 600–Einwohner–Dorfs Montmignaio nahe Arezzo in der Toskana - und entschloß sich zu einem spektakulären Schritt: Ab September wird der Stadtrat einen Teil der Gemeindefinanzen zum Einsatz beim Fußballtoto verwenden. „Was soll man sonst machen“, legitimierte ein Rathaussprecher diese Entscheidung, „das Provinzgesetz für die Finanzierung der kleinen Bergdörfer - Montmignaio zieht sich in zwei Höhenebenen zwischen 560 und 1.450 Metern hin - läßt auf sich warten, die Unterstützung des Tourismusministeriums und Hilfsgelder aus dem EG–Agrarfonds bleiben aus, die Steuereinnahmen sind gleich Null - da hilft nur Kreativität.“ Tatsächlich bringen die fünf Hotels kaum eine Million Lire (1.400 DM) Gewerbesteuer, die meisten Einwohner arbeiten auswärts, ihre Lohnsteuer flißt daher in andere Gemeinden. Der „rettende“ Einfall kam einem Mitglied der kommunistisch–sozialistischen Rathausmehrheit, als er ein Gerichtsurteil las: Ein Ehemann hatte in einer Scheidungssache gegen seine Toto– abgeneigte Frau recht bekommen, weil nach Gerichtsauffassung „Totospielen nicht ehrenrührig ist“. In Montmignaio ist die regierende linke Gemeinderatsmehrheit bei ihrem Toto–Coup auf die Opposition angewiesen - der einzige einigermaßen mit den Geheimnissen der Wahrscheinlichkeitsrechnung vertraute Experte des Dorfes ist Christdemokrat, „und schließlich dürfen wir nicht irgendwie spielen, sondern müssen das wissenschaftlich einwandfrei machen“, erklärte der Bürgermeister der Gemeinde. Doch möglicherweise wird gar nicht gespielt: Seit die Spiel– Absichten der Gemeindeväter landesweit bekannt wurden, können die Hotels über Mangel an Buchungen für die nächsten Monate nicht mehr klagen. Werner Raith
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