: Angst vor einer neuen Runde im Lagerkrieg
■ Heftige Kämpfe zwischen Schiitenmiliz Amal und Palästinensern im Südlibanon / Amal–Miliz soll die 11.000 Bewohner des Lagers Bourj Shemali ultimativ zum Verlassen des Lagers aufgefordert haben / PFLP spricht von Plan zum „Völkermord“
Aus Beirut Petra Groll
Nach gut drei Monaten Waffenstillstand im sogenannten „Lagerkrieg“ zwischen der pro–syrischen Schiitenbewegung „Amal“ und der PLO flammten am vergangenen Wochenende wieder teilweise mit schwerer Artillerie ausgetragene Kämpfe an der Front von Maghdouseheh, östlich der Hafenstadt Saida, auf. Die Verantwortlichen der örtlichen Parteien und Milizen, die sich sowohl am Samstag als auch am Sonntag im Beisein syrischer Militärbeobachter im Haus von Mustafa Saad, dem Chef der „Nasseristischen Volksbewegung“ in Saida trafen, vereinbarten zwar mehrfach Waffenruhe, die aber an der Front nicht eingehalten wurde. Bei den Gefechten am Samstag kamen nach Polizeiangaben fünf Menschen ums Leben, siebzehn wurden verletzt; Bilanzen vom Sonntag und von den Kämpfen am Montag liegen noch nicht vor. Maghdousheh, ein bis Oktober 1986 von Christen bewohntes Bergdorf oberhalb von Saida und Ain–El–Helwue, dem mit ca. 80.000 Bewohnern größten Palästinenserlager in Libanon, war während der letzten Runde im „Lagerkrieg“ (Sept. 86 - April 87) von den Palästinensern erobert worden. Im Zuge von Truppenentflechtungen und Waffenstillstandsabkommen waren die meisten Stellungen aber geräumt und schließlich wieder von „Amal“ besetzt worden. Die Spannungen zwischen den Palästinensern und der den Südlibanon beherrschenden Schiitenmiliz haben in den vergangenen Wochen heftig zugenommen. Allenthalben wird von der Möglichkeit einer neuen Runde im „Lagerkrieg“ gesprochen. Nach palästinensischen Angaben waren die Leichen von drei Palästinensern gefunden worden, die durch Kopfschüsse getötet worden waren. Nach Angaben des „Komitees zur Verteidigung palästinensischer Gefangener“ soll ein von „Amal“ am Samstagabend verbreitetes Ultimatum die 11.000 Bewohner des Lagers Bourj Shemali aufgefordert haben, das Camp bis zum Mittwoch zu verlassen. Ähnliche Ultimaten sollen vor allem an Palästinenser gegangen sein, die außerhalb der Camps leben. In einer von der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) in der syrischen Hauptstadt Damaskus veröffentlichenten Erklärung werden die vom „Komitee“ vorgebrachten Anschuldigungen gegen „Amal“ ebenfalls aufgegriffen. Die PFLP wirft „Amal“ vor, weiter am „Plan von Völkermord und Vertreibung der Palästinenser aus Südlibanon“ zu arbeiten. Das für den Südlibanon zuständige Büro von „Amal“ dementierte indessen am Wochenende alle Vorwürfe. Nicht mehr als 40 Palästinenser seien von „Amal“ verhaftet worden, hieß es. In den beiden Beiruter Palästinenserla gern Bourj–El–Brajneh und Chatila warten die Bewohner indes auf die Aufhebung der andauernden Blockade. Bislang wurde weder für das zu 50 noch für das zu 90 Chatila Genehmigung zum Wiederaufbau erteilt. Soldaten der seit Februar in Westbeirut stationierten syrischen Armee und Milizionäre von „Amal“ sind weiterhin rund um die Camps postiert. Eine neue Runde im „Lagerkrieg“ würde die beiden Westbeiruter Camps vermutlich nicht betreffen, denn dann wären syrische Truppen direkt involviert. Die Palästinenser erhoffen sich von einem angeblich noch in diesem Monat stattfindenden Besuch von PLO–Chef Arafat in Moskau entscheidende Initiativen zu einer Aussöhnung zwischem syrischem Regime und PLO–Führung.
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