: Die „Wunderwaffe“
Die Neutronenbombe ist nichts anderes als eine miniaturisierte Wasserstoffbombe. So ist auch die Idee dieses Waffentyps den Gehirnen der Atomwaffendesigner bereits gegen Ende des Zweiten Weltkriegs entsprungen. Beide Waffentypen beruhen auf der Kernfusion von Wasserstoffatomen, die durch die Explosion eines herkömmlichen Plutoniumsprengsatzes initiiert wird. Während die Wasserstoffbombe aber eine Sprengkraft in der Größenordnung von Megatonnen TNT erreicht, sollte die Neutronenbombe nur etwa 1 bis 2 Kilotonnen entwickeln. Man wollte aus einem physikalischen Prinzip Kapital schlagen: Wenn man die Stärke einer Atomexplosion verringert, verkleinert sich der durch Hitze und Druckwelle verwüstete Bereich relativ schneller, als der Bereich in dem die Neutronenstrahlung tödliche Wirkung hat. Würde die N– Bombe in 500 bis 800 m Höhe gezündet, so ließe sich die mechanische und thermische Wirkung auf quasi null bringen. 1963 explodierte im US–amerikanischen Testzentrum in der Wüste Nevada der erste experimentelle Neutronensprengkopf. Zahlreiche Tests folgten. Doch erst 14 Jahre später konnten die amerikanischen Militärs Präsident Jimmy Carter ein produktionsreifes Design vorlegen. Die Entwicklung, zeitweilig unterbrochen, war mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden. Die anvisierte Stationierung in Europa stieß auf eine Welle der Empörung. Carter schob seine Entscheidung über die Serienproduktion auf. Reagan sollte sie im August 1981 nachholen, die Produktion begann umgehend. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben die USA in Europa in den letzten Jahren Neutronenwaffen stationiert, lediglich Teile der Sprengkapseln werden in den USA aufbewahrt, die im Bedarfsfall schnell eingeflogen werden können. Die ersten Tests sind wahrscheinlich 1980 in Mururoa durchführt worden. Alle technischen Hindernisse waren 1983 aus dem Weg geräumt. Ein Jahr später bestätigte dies der damalige Verteidigungsminister Hernu. Heute sind die Trägerwaffen vom Typ „Hades“ (350 km Reichweite) und deren mobile Abschußrampen im Bau, obwohl es an Kritik bezüglich ihrer Eignung für die N–Bombe nicht mangelt. Mycle Schneider ist Experte für Fragen der französischen Atompolitik beim „World Information Service on Energy“ (WISE) in Paris. Die taz dankt für seine Mitarbeit am Dossier.
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