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Pretoria torpediert kirchliches Farmprojekt

■ In einem einzigartigen Entwicklungsprojekt wollte der südafrikanische Kirchenrat von ihrem Land vertriebene Schwarze neu ansiedeln / Nach Protesten weißer Farmern schritt Pretoria zur Enteignung / Ohne Heimat denken die schwarzen Familien an Landbesetzung

Aus Johannesburg Hans Brandt

„Wir werden behandelt wie Tiere, die in Herden herumgetrieben werden.“ Mit diesen bitteren Worten reagierten Vertreter von mehr als 300 von Zwangsumsiedelungen betroffenen schwarzen Familien Mitte Juli auf die Nachricht, daß das Apartheid–Regime eine Farm enteignet hatte, auf der sie sich mit Hilfe des südafrikanischen Kirchenrates (SACC) nach jahrelangem Leiden hatten ansiedeln wollen. Die Farm Holgat, 200 Kilometer westlich von Johannesburg, gehörte der bundesdeutschen Herrmannsburger Mission und sollte zu einem in Südafrika einzigartigen Projekt zugunsten der umgesiedelten Familien entwickelt werden. Mit der Enteignung am 7. Juli machte das Apartheid–Regime dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Die Enteignung wurde erst am Mittwoch öffentlich bekannt, nachdem der SACC wochenlang vergeblich versucht hatte, sie in Verhandlungen mit dem Regime abzuwenden. Die Mehrheit der betroffenen schwarzen Familien stammt aus dem Ort Mogopa. Im Februar 1984 wurden sie von ihrem traditionellen Land im Westen der Transvaal–Provinz vertrieben. Das wurde zwar später vom Obersten Gerichtshof Südafrikas für unrechtmässig erklärt. Doch zurück konnten die Menschen nicht mehr, da es inzwischen vom Staat enteignet worden war. Nun denken sie daran, ihr traditionelles Land zu besetzten. „Wir wissen, daß die Regierung uns dafür wie Verbrecher behandeln wird,“ heißt es in ihrer Erklärung. „Wir wollten unsere Ziele auf friedliche Weise erreichen und eine neue Farm kaufen.“ Das Eingreifen der Regierung um das vom SACC in Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation „Black Sash“ geplante Entwicklungsprojekt zu unterbinden, zeigt, wie beschränkt die Reformen der Apartheid wirklich sind. Seit im Mai letzten Jahres die sogenannten Passgesetze abgeschafft wurden, dürfen Schwarze wieder in „weißen“ Gebieten Südafrikas wohnen und dort Land besitzen, allerdings nur solches, das nicht als „weißes“ Land gilt. Die Farm Holgat war noch nicht zum weißen Gebiet deklariert worden. Die Enteignung geht allem Anschein nach auf die Proteste rechter weißer Farmer zurück, die in ihrer Nachbarschaft keine Siedlung von mehr als 2.000 Schwarzen dulden wollten. „Man kann sich ja vorstellen, was da in der Nachbarschaft geklaut wird,“ sagte ein Farmer - wie viele seiner Nachbarn deutschsprachiger Nachfahre ehemaliger Herr mannsburger Missionare - gegenüber der taz. Die Beschwerden weniger weißer Farmer waren Pretoria offensichtlich wichtiger als das jahrelange Leiden mehrerer hundert schwarzer Familien. Das geplante Entwicklungsprojekt sollte unter der Schirmherrschaft der eigens von SACC und „Black Sash“ gegründeten Botshabelo–Stiftung (“Zufluchtsort–Stiftung“) durchgeführt werden. Die notwendigen vier Millionen Mark, wovon 2,8 Mio. Mark als Kaufpreis für die Farm an die Herrmannsburger Mission gehen sollten, wurden von bundesdeutschen, niederländischen, norwegischen, britischen und kanadischen Kirchengruppen gestiftet. Für die Mission ergibt sich aus der Enteignung jedoch kein Verlust. Pretoria ist gesetzlich verpflichtet, mindestens den im Kaufvertrag mit dem SACC festgelegten Preis zu zahlen. Doch dabei handelt es sich um einen Solidaritätspreis unter kirchlichen Organisationen. Der Marktwert der Farm liegt wesentlich höher.

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