§ 218–Gutachter zu Gefängnisstrafe verurteilt

■ Nürnberger Gericht bewertet ärztliche Gutachten über soziale und psychische Notlagenindikation als „oberflächlich“ und verurteilt ihn wegen Beihilfe zur illegalen Abtreibung / Gericht: Ungeborenenschutz „im Bewußtsein verankern“ und „Rechtsordnung verteidigen“

Aus Nürnberg Wolfgang Gast

Die Nürnberger Justiz klopft die Linie der Abtreibungsgegner fest. Am Freitag verurteilte das Nürnberger Amtsgericht den Nervenarzt Dr. Klaus K. wegen Beihilfe zu unerlaubten Abtreibungen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Darüber hinaus muß der 47jährige Mediziner eine Geldstrafe von 10.000 DM an den Verein „Hilfe für Frauen in Not“ zahlen. Bereits am 15.Mai hatte eine andere Kammer des Gerichtes den italienischen Frauenarzt Dr. Ferdinando Peselli wegen der Durchführung illegaler Schwangerschaftsabbrüche zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. „Inhaltliche Knappheit, Oberflächlichkeit und Allgemeinheit“ warf Richter Skauradzun dem Nervernarzt, der als ärztlicher Gutachter Abtreibungen befürwortet hatte, in seiner Urteilsbegründung vor. „Indikationen ohne Grund“ habe er ausgestellt und so einen Tatbeitrag zur „Förderung der verbotenen Abtreibung“ geleistet. In dem Verfahren sei es darum gegangen, „die Rechtsordnung zu verteidigen“, schließlich habe der Gesetzgeber den Schutz des ungeborenen Lebens mit dem Schutz des Geborenen gleichgestellt. Angesichts der seltenen Verurteilungen nach Paragraph 218 habe eine Freiheitsstrafe verhängt werden müssen, um den Ungeborenenschutz als Grundsatz im „Bewußtsein der Öffentlichkeit zu verankern“. Verhandelt worden war über 39 Gutachten, die der Arzt zwischen September 1975 und Mai 1983 nach sozialen oder medizinisch– psychiatrischen Indikationen ausgestellt hatte. Zum Verfahren war es gekommen, als die Staatsanwaltschaft gegen den „Abtreibungsarzt“ Dr. Peselli ermittelte, der jahrelang als einziger Mediziner im nordbayerischen Raum Schwangerschaftsabbrüche mit sozialer Indikation in einer Privatklinik vorgenommen hat. Im Sog der Ermittlungen leitete die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen Ärzte ein, die Notlagen–Indikationen ausgestellt hatten. Die Mediziner sollen gegen die Bestimmungen des Paragraphen 218 verstoßen haben. Für Dr. Klaus K. stellte das Gericht im Urteil fest, die 15– bis 30minütige Beratungszeit bei seinen Patientinnen sei ein Indiz dafür, daß den Gutachten eine „unzulängliche medizinische Untersuchung“ vorangegangen sei. Auch habe er sich nicht die Mühe gemacht, die Angaben der Frauen zu überprüfen. Statt dessen soll er sich die Indikationslage von ihnen unbesehen in die Feder diktiert haben lassen. Nach Paragraph 218 sei die Ärzteschaft dem „Rettungswillen für das werdende Leben“ verpflichtet, führte Richter Skauradzun aus, und mit seiner Vorgehensweise habe Dr. K. die Voraussetzung der gesetzlich vorgeschriebenen „äbwägenden Beratung“ bei den werdenden Müttern nicht erfüllt. Mit seinen „unrichtigen ärztlichen Angaben“ habe er sich deshalb der Beihilfe zu illegalen Abtreibungen schuldig gemacht. In seiner Urteilsbegründung forderte der Richter die Mediziner auf, sich nicht der Verantwortung für das werdende Leben zu entziehen. Wenn nun in der Folge des Urteils die Ärzteschaft nicht mehr bereit sei, Indikationsgutachten auszustellen, sei dies „bedauerlich“. Bereits nach der Verurteilung des Frauenarztes Peselli hatten sich mehrere Mediziner an die Beratungsstelle „pro familia“ gewandt und mitgeteilt, daß sie sich angesichts der Rechtslage in Nürnberg außerstande sähen, weiterhin Indikationsgutachten auszustellen. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, sind bei ihr weitere Verfahren wegen Beihilfe zu illegalen Abtreibungen anhängig.