: „Der Fürst hat keine Freude mehr an seinem Besitz“
■ Streit um die Jagdgründe des Georg–Maria Fürst von Waldburg / Freistaat verlängerte Pachtvertrag nicht / Der Fürst kündigt daraufhin den Bauern, die auf seinen Bergen Alpwirtschaft betreiben / Landwirtschaftsministerium verhandelt mit Durchlaucht wegen Grundstückstausch
Aus Immenstadt Luitgard Koch
Die Nebelschwaden hängen tief zwischen den Berggipfeln, der Wind treibt Regenwolken vor sich her. Ich glaub ich krieg Albträume! d. säzzer Der Bergsommer auf der Alp beginnt spät, meist erst Mitte Juni. Aber dieses Jahr ist es besonders hart. Der heimliche Herrscher des Allgäus Doch nicht nur das „Sauwetter“ macht den Ällgäuer „Älplern“ im Ehrenschwanger Tal zu schaffen. Für viele, die seit Generationen Almwirtschaft betreiben, soll es der letzte Alpsommer sein, wenn es nach dem Willen von Georg– Maria Fürst von Waldburg zu Zeil und Trauchberg geht. Elf der besten und mit öffentlichen Mitteln erschlossenen Alpen hat der adelige Großgrundbesitzer den Pachtvertrag gekündigt. „Seine Durchlaucht hat sich entschlossen die Alpwirtschaft aufzugeben und für die Alpflächen Aufforstungsanträge zu stellen“, heißt es im hochherrschaftlichen Kündigungsbrief, und sein Verwalter weiß: „Der Fürst hat keine Freude mehr an seinem Besitz.“ 11.000 Hektar Land, über zwei Prozent des gesamten Allgäus, sind in seiner Hand. Ein Drittel davon liegt im bayerischen Teil zwischen Immenstadt und Oberstaufen. Jeder zweite Baum im Allgäu gehöre dem „heimlichen Herrscher des Allgäus“, bemerkte selbst die Frankfurter Allgemeine. Mit Thurn und Taxis gehört das 59jährige CDU/CSU–Mitglied zu den reichsten Männern Deutschlands. Seine ausgedehnten Ländereien - auch in Kanada und Argentinien kaufte er große Flächen Land - verdankt der studierte Volkswirt nicht zuletzt seiner Hartnäckigkeit, mit der er sich gegen die Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg wehrte. Über zwanzig Jahre lang prozessierte der Herr auf Zeil, bis ihm die Regierung von Baden–Württemberg für die bescheidene Landabgabe von 150 Hektar 750.000 Mark Entschädigung bezahlte und auf alle weiteren An sprüche endgültig verzichtete. Auch die 3.000 Hektar auf der bayerischen Seite des Allgäus erwarb Fürst Georg zu einem Spottpreis. Aufgrund von Steuerschulden mußte der frühere Besitzer, ein Mitinhaber des Metzeler Konzerns, das Land 1960 möglichst schnell verkaufen. Der Freistaat zeigte ebenfalls Interesse daran. Aus dem Finanzministerium bekam der Fürst den heißen Tip und schlug noch vorher zu. Was jedoch dem Fürsten schon immer ein Dorn im Auge war: der schmale Streifen Staatsforst, der sich durch sein Gebiet zog. Solange diese rund 300 Hektar als Jagdgrund an ihn verpachtet waren, war Fürst Georg zufrieden. Doch als ihm im April dieses Jahres mitgeteilt wurde, der Freistaat werde den seit zwölf Jahren bestehenden Pachtvertrag nicht mehr verlängern, da nach einem Landtagsbeschluß zum Schutz des Bergwalds der Staat dafür sorgen soll, daß die Abschußzahlen bei Wild eingehalten werden, war er verärgert. Vor dem Augsburger Verwaltungsgericht prozessierte er, vertreten durch seinen Anwalt, den Präsidenten des Bayerischen Jagdverbands, Gerhard Frank (CSU), gegen den Freistaat. Das Gericht sollte anerkennen, daß der Staatsforst nicht als eigenständiges Jagdrevier gelten könne. In diesem Rechtstreit verlor Fürst Georg. Gegen die Entscheidung hat sein Anwalt jedoch Berufung beim Münchner Verwaltungsgericht eingelegt. „Heikle Angelegenheit“ Als nächsten Schritt entschloß sich der fürstliche Jäger, auch FJS zählt natürlich zu seinen Jagdgästen, dann zu einer „Umorientierung“. Für Erstaufforstungen im Berggebiet gibt es bei Nadelbeständen 2.140 Mark staatliche Zuschüsse pro Hektar. Diese Maßnahmen müssen jedoch vom zuständigen Landratsamt und Landwirtschaftsministerium genehmigt werden. Protest dagegen hat bereits der Bund Naturschutz in Bayern angemeldet. Die Vegetation im Ehrenschwanger Tal zeigt nach Ansicht des Bund jetzt schon, daß in diesem Gebiet viel zu hohe Schalenwildbestände vorhanden sind. Die Aufforstung durch Fichten jedoch verschlechtere die Gesamtäsungssituation und führe dadurch zwangsläufig zu einer noch stärkeren Verbißbelastung des Schutzwaldes, so Dr. Helmut Klein. Eine Aufforstung könnte dem Fürst zwar verweigert werden, die typische Almlandschaft im Allgäu würde sich durch den fürstlichen Eingriff erheblich verändern, aber zur Fortsetzung seiner Almwirtschaft kann ihn niemand zwingen. Im bayerischen Landwirtschaftsministerium wird deshalb seit Wochen über einen Gütertausch verhandelt. „Über die heikle Angelegenheit“ möchte jedoch niemand im Ministerium gern Auskunft geben. Für diese Woche ist ein Ortstermin im Ehrenschwanger Tal geplant, um abschätzen zu können, ob das Geschäft läuft. Wenn sich abzeichnet, daß eine Arrondierung innerhalb einiger Jahre zustande kommt, soll der Pachtvertrag sofort verlängert werden. „Die Sache auf dem Rücken der Bauern auszutragen, das ist uns die Geschichte nicht wert“, meint der Leitende Ministerialdirigent Adolf Zerle vom Landwirtschaftsministerium, und gibt damit indirekt zu, daß der Erpressungsversuch des Fürsten nicht umsonst war. Für die Älpler jedoch heißt es vorerst weiter „na warten“. Aber sogar bei jenen, deren Existenz auf dem Spiel steht, regt sich kaum Protest. „Uns ghörts ned, man muß sich halt fügn“ und „Wenns die Obrigkeit so will, dann könna mir nix machn“, ergeben sie sich „untertänigst“ in ihr Schicksal. Dem Fürsten, ihm gehört auch die Hälfte der Allgäuer Zeitung in Kempten, muß man seinen Willen lassen, so auch ein CSU–Gemeinderat: Denn schließlich hat er ja auch ein paar Tausend Mark für den Schulbau gespendet. Und außerdem: „I hob a bissl an Hang zur Monarchie“, schmunzelt der Oberstaufer. Daß ein Vorfahre Fürst Georgs, bekannt als „Bauernjörg“, den Bauernaufstand 1522/26 blutig niederwarf und jahrzehntelang ganz Süddeutschland terrorisierte, ist vergessen.
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