I N T E R V I E W „Beweisführung von Diktatoren und Folterern“

■ Der SPD–Abgeordnete Freimut Duve nimmt Stellung zur Handhabung der Sicherheitsüberprüfung als Modell Bonner Asyl–Politik Chilenen gegenüber

taz: Von der Chile–Demonstration am Samstag wurden Sie ausgeladen, weil Ihre Partei gegen die Abschaffung der Sicherheitsüberprüfung sei. Duve: Die Sicherheitsüberprüfung war 1974/75 ein Kompromiß von elf Bundesländern und einer Bundesregierung, um 2.500 Chilenen aufzunehmen. Die meisten Chilenen, die hier leben, sind mit Hilfe dieses Kompromisses aus den Fängen der Pinochet–Mörder herausgeholt worden. Mit der Sicherheitsüberprüfung ist die Aufnahme dieser Kontingent–Flüchtlinge politisch akzeptabel geworden, sonst hätten die Bundesländer und wohl auch der FDP–Innenminister dem nicht zugestimmt. Heute ist die Situation anders... Die Sicherheitsüberprüfung, wie sie Herr Zimmermann jetzt betreibt, indem er sich die Sprache und wohl auch die Beweisführung von Diktatoren und Folterern zu eigen macht, hat ihren Sinn verloren. Sie plädieren also für eine Abschaffung dieser Regelung? Ja, aber als einzelne Person oder Abgeordneter. Ansonsten wäre ich für eine Ausweitung der Sicherheitsüberprüfung etwa auf alle Angehörigen der nicaraguanischen Opposition, die zu den Contra gehören, oder andere Oppositionen in Ländern, wo gegen linke Regierungen gekämpft wird. Ich wäre auch für eine Sicherheitsüberprü fung bei Regierungen, die ihren diplomatischen Dienst für Terrorakte mißbrauchen. Dazu gehört auch Chile, dessen Regierung Menschen im Ausland umbringen ließ. Es gibt aber kein Beispiel, wo ein oppositioneller Chilene im Ausland in eine der politischen Kriminalität zuzurechnende Aktivität verwickelt war. Warum gilt die Sicherheitsüberprüfung heute nur noch für chilenische Flüchtlinge? Weil es zwischen der CSU und der chilenischen Regierung engere und andere Kontakte sowie eine andere ideologische Nähe gibt als in den offiziellen Verlautbarungen zwischen der Bundesrepublik und Chile. Nun hat sich auch Ihr Parteivorsitzender H.–J. Vogel für eine Beibehaltung der Sicherheitsüberprüfung ausgesprochen. Er sagte, das stehe momentan nicht zur Diskussion und müsse anders durchgeführt werden. Aber dies ist bei uns in der SPD nicht weiter diskutiert worden. Ein Dissens also zwischen dem Abgeordneten Duve und seinem Fraktionschef? Wenn wir das diskutieren würden - was wir sicher noch tun - , werden wir uns in der Fraktion einig. In welcher Richtung? Daß die Regelung, wie sie jetzt durchgeführt wird, Unsinn ist. Wenn der Kontingentrahmen von 2.500 Plätzen wegfällt und Chile keine - im positiven Sinn - besondere Aufmerksamkeit mehr genießt, dann wäre das eine nicht zu akzeptierende konsequenz. Dann hätten zwar die Grünen und wir alle unser Gesicht gewahrt, aber die Chilenen wären schlechter dran. Interview: A. Kintzinger