: Keine Sozialhilfe für Flüchtlinge ?
■ Berlin will eigenes Sozialhilfegesetz für Flüchtlinge schaffen / Tür und Tor offen für Leistungskürzungen
Von Vera Gaserow
Berlin (taz) - Die Arbeits– und Sozialminister der Länder werden auf ihrer nächsten gemeinsamen Konferenz vom 16. bis 18. September über ein spezielles Sozialhilfegesetz für Asylbewerber entscheiden, das generelle Sozialhilfekürzungen für Flüchtlinge rechtlich möglich machen würde. Der sonst als liberal gefeierte Berliner Sozialsenator Fink hat dazu eine Beschlußvorlage verfaßt, die eine Herauslösung der Asylbewerber aus dem Bundessozialhilfegesetz fordert. Zuständige Behörde für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge sollen nach den Berliner Plänen die Ausländerbehörden werden. Der Vorschlag, den die Arbeits– und Sozialminister nach dem Willen Berlins Bonn als Gesetzesvorschlag zuleiten sollen, sieht auf dem Papier keine Mittelkürzung für Asylbewerber vor. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Siehe auch Seite 5 Gegenüber der taz erklärte jedoch der Leiter der Abteilung Sozialhil ferecht beim Berliner Sozialsenat, Klein, aus dessen Feder der Vorschlag stammt, unverblümt, daß man natürlich eine niedrigere Sozialhilfe für Asylbewerber anstrebe. Beim „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge“, einem Zusammenschluß der Träger der Sozialarbeit und der freien Wohlfahrtsverbände, urteilt der Geschäftsführer: „Eine Ausgliederung einer Gruppe aus dem Sozialhilfegesetz bedeutet ganz klar Kürzung für die Betroffenen.“ Schon in der Vergangenheit hatten zahlreiche Städte und Gemeinden Asylbewerbern die Sozialhilfe unter den im Bundessozialhilfegesetz festgeschriebenen Regelsatz gekürzt und damit nicht nur Geld gespart, sondern auch eine gezielte Abschreckungspolitik betrieben. Offizielle Begründung: da der Lebensstandard in den Herkunfstländern der Flüchtlinge weitaus niedriger als in der Bundesrepublik sei, bräuchten sie auch hier nicht so viel Geld wie Deutsche. Einer solchen Sozialhilfekürzung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe hatte jedoch das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil 1985 eine klare Absage erteilt. Um dennoch eine niedrigere Sozialunterstützung für Asylbewerber durchsetzen zu können, hatten in den letzten Jahren die Gemeinden ein gesondertes Sozialgesetz für Flüchtlinge gefordert. Die Chance, daß die anderen Bundesländer dem Berliner Vorstoß im September zustimmen, werden unterschiedlich bewertet. Als der Vorschlag im Mai von der interministeriellen Arbeitsgruppe Ausländerrecht des Bundes und der Länder im Mai diskutiert wurde, stimmten die meisten Bundesländer zwar dagegen. Die zuständigen Bonner Ministerien standen der Abschreckungsintention dieses Planes positiv gegenüber, doch da bei einem solchen Gesetz der Bund die Kosten für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge übernehmen müßte, ist man auch in Bonn eher reserviert. Dennoch steht unter der Rubrik „Lösungsvorschlag“ im Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe: „Für die Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts für Asylbewerber wird eine spezielle gesetzliche Regelung geschaffen... Bemessung der Leistungen zum Lebensunterhalt unterhalb des Leistungsniveaus der Sozialhilfe, tendenziell Beschränkung auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche grundsätzlich ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls“. Bremens Sozialsenator Scherf, der eine Sonderregelung und Leistungskürzung für Asylbewerber aus „humanitären, politischen und rechtlichen Gründen“ strikt ablehnt, hat deshalb auch für die Septembersitzung einen Gegenantrag zu den Berliner Plänen eingebracht, der eine explizite Gleichstellung von Deutschen und Flüchtlingen fordert.
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