: Beirut: Entführter US–Journalist frei
■ Der vor zwei Monaten in Beirut verschleppte Charles Glass konnte entkommen / Grünes Licht der Kidnapper für die Flucht? / Glass ist in die syrische Hauptstadt Damaskus abgereist
Aus Beirut Petra Groll
Charles Glass, ein am 17. Juni dieses Jahres in den südlichen Vororten der libanesischen Hauptstadt Beirut entführter Journalist und US–amerikanischer Staatsbürger, ist frei. In der Nacht zum Dienstag konnte Glass aus seinem „Gefängnis“ in Bir–el–Arbed entkommen, einem der südlichen Vororte Beiruts, die nicht unter den „syrischen Sicherheitsplan“ fallen und weiterhin von den Milizen der Schiitenbewegung Hizbollah kontrolliert werden. Die Geschichte seiner Flucht mutet reichlich abenteuerlich an und läßt die Vermutung zu, daß er zumindest grünes Licht seiner Kidnapper gehabt haben muß. Weil seine Wächter, vermutlich wegen des heißen Sommerwetters, nicht in der als Gefängnis dienenden Wohnung im siebten Stock eines Hochhauses, sondern auf dem Dach übernachtet hatten, konnte Glass sich um 2.30 Uhr Ortszeit absetzen und fand sogar auf der Straße Leute, die er unter dem Vorwand, Medikamente für seine kranke Tochter besorgen zu müssen, überredete, ihn aus dem Stadtteil zu fahren. Im Nobel–Ho tel „Summer–Land“ angekommen, soll Glass sich vorgestellt und um Schutz und einen Arzt gebeten haben. Das Hotelpersonal alarmierte die syrischen Militär– und Geheimdiensteinheiten in der libanesischen Hauptstadt und Glass wurde sogleich in die syrische Hauptstadt Damaskus verfrachtet. Zusammen mit dem syrischen Außenminister Farouk Charaa stellte sich Glass am Dienstag nachmittag der örtlichen Presse, weigerte sich jedoch, Details seiner Flucht oder Geiselhaft preiszugeben. Zur Entführung des US– Journalisten, die praktisch unter den Augen eines syrischen Checkpoints stattfand, bekannte sich am 1. Juli eine bislang unbekannte „Organisation zur Verteidigung des Freien Volkes“. Ein sieben Tage später veröffentlichtes Video–Tape beinhaltete auch eine Selbstbezichtung Glass, er habe sich unter dem Deckmantel des Journalisten im Dienste der CIA im Libanon aufgehalten. Politische Beobachter in Beirut gehen davon aus, daß Glass nur mit stillschweigendem Einverständnis seiner Entführer fliehen konnte. Sie halten es für keinen Zufall, daß Glass zu einem Zeitpunkt entkommen konnte, wo die Wiederbesetzung des US–Botschafterpostens in Damaskus bevorsteht und die Regierung Assad die Idee einer internationalen Nahost–Friedenskonferenz nicht länger ablehnt.
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