: Strom bei Windstärke 3
■ „Windenergiepark Westküste“: Bonn finanziert Exportschau für Windmühlen
Kaiser–Wilhelm–Koog (taz) - „Windenergiepark Westküste“ heißt das jüngste, vom Bundesministerium für Forschung und Technologie subventionierte Testfeld für Windenergie, das am Montag im Kaiser–Wilhelm– Koog offiziell in Betrieb ging. Gleich neben der Forschungsmine Growian stehen hier an der Südwestküste Schleswig–Holsteins insgesamt 30 Konvertoren (Windmühlen) in drei Reihen nebeneinander. Sie speisen zusammen ein Megawatt in das Netz des regionalen Stromverteilers und Betreibers der Anlage, der Schleswag. Die erforderliche Mindest–Windstärke 3 herrscht an der Westküste zu etwa einem Viertel des Jahres. Drei Gründe nennt Schleswag– Projektleiter Gert Nimz für das 4,6–Millionen–Mark–Projekt. Zu allererst dient es als „Exportschaufenster“ für das Geschäft mit der Dritten Welt: Den bundesdeutschen Herstellern, allen voran dem Marktführer MAN, ist daran gelegen, diese Produkte im eigenen Land vorzuführen und nicht etwa auf ihre Anlagen in den USA verweisen zu müssen. Außerdem möchte die Schleswag zur Beratung der eigenen Kundschaft praktische Erfahrungen vorweisen. Erbost weist Nimz darauf hin, daß solche Anlagen sehr wohl auch von Privatleuten betrieben werden dürfen - nur an andere als die Netzinhaber, also die Stromverteilungs–Unternehmen, dürfe nicht verkauft werden. Zu guter Letzt will die Schleswag untersuchen, welche Rückwirkungen auf das Netz entstehen, wenn sich die Windmühlen zu -oder abschalten. Der auf diese Art erzeugte Strom kostet etwa 30 bis 35 Pfennig pro Kilowattstunde (kWh) und ist damit gemessen an bundesrepublikanischen Durchschnittspreisen zwischen 20 und 25 Pfennig/kWh unverhältmäßig teuer. Anderes gilt für Regionen der Dritten Welt, in denen der Strom dezentral, etwa mit Dieselaggregaten, erzeugt wird. Denn „Dieselstrom“ kostet etwa 35 Pfennig/ kWh, zumal, wenn der Brennstoff vorher über lange Transportwege herangeschafft werden mußte. Hier hat die Industrie einen Markt für den Windmühlenexport erkannt. Die Produktion von Windmühlen ist keine Don Quichoterie, sondern wirtschaftlich interessant. Bislang hatten dänische Firmen den größten Marktanteil, doch neben einigen mittelständischen Herstellern drängen vor allem kapitalkräftige Firmen wie MAN und MBB auf den eng gewordenen Markt. Der lag bis vor kurzem hauptsächlich in den USA und brach im Dezember 85 zusammen, als dort die Steuererleichterungen für Windmühlen ausliefen. Damit setzte eine heftige „Flurbereinigung“ unter den Herstellern ein. Wie gerufen kam da die Bonner Ausschreibung vom Januar 1986: Bei Errichtung eines Windparks würden 50 Das Schleswag–Angebot nahm davon knapp die Hälfte für die Anlage am Kaiser–Wilhelm–Koog in der Nähe von Brunsbüttel in Anspruch und kaufte 20 Aeromane von MAN und zehn weiter Anlagen von zwei kleineren Herstellern. Das war nicht etwa Bescheidenheit, sondern Kalkül: So blieb noch genügend übrig, daß bei Cuxhaven demnächst ein weiterer Energiepark entsteht, der von der dortigen Schwestergesellschaft der Schleswag betrieben wird. Hierfür hat der Stromverteiler Überlandwerke Nord Hannover (ÜNH) 25 Windmühlen bestellt, 15 von MBB und zehn des kleineren Herstellers Enercon aus dem ostfriesischen Aurich. Stückpreis der Windmühlen in der Klasse zwischen 25 und 55 KW: grob 100.000 Mark. Ob das Schleswag–Management auch an die Landtagswahlen in drei Wochen denke, etwa eine Vision atomenergieloser Zeiten habe? Nimz schüttelt den Kopf: „Wind als Energiequelle bleibt bei uns unwirtschaftlich.“ Auf dem Heimweg fahren wir an den Kraftwerken vorbei, die heute für die Grundlast laufen: Brunsbüttel und Brokdorf. Vom anderen Ufer her schimmert der Schrottreaktor von Stade durch den Dunst. Mehrheitseigentümerin dieser AKWs ist die Preussenelektra. Ihr gehören auch die Mehrheiten bei der Schleswag und der ÜNH. Dietmar Bartz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen