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D O K U M E N T A T I O N Die Freilassung Hamadeis überprüfen

■ Wortlaut vom Videoband des am 20. Januar in Beirut entführten Siemens–Technikers Alfred Schmidt

Guten Tag. Ich, Alfred Schmidt, bin sehr froh, daß ich heute, nach sechs Monaten Haft, die Gelegenheit habe, zu meiner Familie, meinen Freunden, meinen Landsleuten zu sprechen. Zuerst mal herzliche Grüße an alle. Und beruhigend möchte ich erwähnen, daß ich mich bisher in einem guten körperlichen Zustand befinde. Die Behandlung seitens meiner Haftnehmer war bislang besser, als man annehmen möchte. Und ich habe häufig und gründlich über die Ziele dieser Behandlung nachgedacht, speziell im Zusammenhang mit der Politik der Bundesrepublik Deutschland. Auf meine Frage, warum man mir jetzt auch die Gelegenheit bietet, diese Cassette zu besprechen, wurde mir geantwortet, daß es sich hierbei um eine positive Reaktion meiner Haftnehmer handeln würde, auf die positive Entscheidung der Bundesregierung, Mohammed Ali Hamadei nicht der US–Regierung auszuliefern. Ich kenne nicht die Situation von Mohammed Ali Hamadei in Deutschland. Ich bin aber der Meinung, daß die Bundesregierung auf die positive Aktion meiner Haftnehmer eine positive Reaktion erfolgen lassen sollte, zumal es nicht ungewöhnlich ist, daß die Bun desrepublik positive Aktionen positiv beantwortet. Ungewöhnlich für mich ist jedoch die gute Aktion und bisher die Freundlichkeit meiner Haftnehmer. Deshalb sollten wir zuerst unsere Meinung über diese Leute hier positiv überprüfen. Denn dann ließen sich unsere Probleme mit ihnen auch besser lösen. Ich bin der Meinung, daß die westlichen Demokratien sich den Gedanken und Gefühlen ihrer Gegner anpassen sollten. Sie sollten versuchen, ihre Opponenten besser zu verstehen, statt sie zu bestrafen und viel Geld auszugeben, um sie unter dem Titel Terrorismus zu bekämpfen. Man sollte logisches Verlangen akzeptieren, denn sonst können westliche Demokratien nicht objektiv Stellung nehmen. Wenn die westlichen Demokratien Gedanken und Gefühle anderer nicht berücksichtigen, müssen sie negative Konsequenzen in Kauf nehmen, speziell in der Nahostregion. Es zeigt sich heute klar, daß das islamische Volk in Nahost bereit ist, zur US–Außenpolitik Stellung zu nehmen und daß es selbstverständlich für jeden Menschen dort ist, für sein Recht zu kämpfen. Leider liegen auch wir in Deutschland unter dem Einfluß der US–Außenpolitik. Die deutsche Politik sollte selbständig sein und unabhängig von der US–Politik den Kampf freier Menschen ... . (Red: im letzten Satz fehlt ein Zeitwort, das Schmidt nicht gesagt hat. Wir nehmen an: führen). Da sollte als kleines Beispiel Mohammed Ali Hamadei genannt werden, um die großen und starken Strömungen in der Nahostregion zu zeigen, die das Ziel haben, die Nahostpolitik der USA zu unterbinden. Die Bundesregierung sollte ihre Politik mit den Völkern dieser Region selbständig betreiben. Die Bundesregierung hat bisher diverse US–Außenpolitik–Handlungen verurteilt und sollte das auch weiterhin anstreben, wenn sie für Freiheit und Gerechtigkeit einsteht. Die Bundesregierung kann durch eine selbständige Politik die Beziehungen zu den Völkern in Nahost und insbesondere mit den islamischen Bewegungen dadurch verbessern. Zum Schluß möchten wir von der Bundesregierung etwas erbitten: daß sie die Freilassung von Mohammed Ali Hamadei ernsthaft studiert, damit unsere dringende Freilasung ermöglicht wird und wir bald wieder bei unseren Familien in Deutschland sind. Vielen Dank und auf Wiedersehen. Beirut (dpa)

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