Ortega hebt den Bann gegen Bischof Vega auf

■ Nationale Versöhnungskommission Nicaraguas gebildet: Die Kirche ist mit Kardinal Obando y Bravo vertreten, die politische Opposition mit Mauricio Diaz von der parlamentarischen PPSC und stellvertretend mit Erick Ramires von der außerparlamentarischen PSC

Aus Managua Ralf Leonhard

Bischof Pablo Antonio Vega, der ehemalige Sprecher der nicaraguanischen Bischofskonferenz, Padre Bismarck Carballo und ein dritter Geistlicher, die vor über einem Jahr aus Nicaragua verbannt wurden, dürfen „jederzeit und mit allen Garantien“ nach Nicaragua zurückkehren. Mit dieser Nach richt überraschte Präsident Daniel Ortega am Dienstag den zu Gast weilenden Vizepräsidenten Guatemalas, Roberto Carpio, die Botschafter der Contadora–Gruppe und die Chefs der Oppositionsparteien. Sie waren zu einer Zeremonie einberufen worden, in der das Staatsoberhaupt die Mitglieder einer Nationalen Versöhnungskommission ernannte. Diese vierköp fige Kommission soll die Einhaltung der im jüngst in Guatemala unterzeichneten Friedensabkommen übernommenen Verpflichtungen überwachen. Pablo Antonio Vega, der Bischof von Chontales, wies die Einladung Ortegas umgehend zurück. „Man darf sich nicht hergeben für die Illusion, daß sich dieses System bessert“, erklärte er in Miami gegenüber einer Presseagentur. Vega, der häufig in dem von den USA gesponserten Contra–Sender „Radio Liberacion“ zu hören ist, war im Juli des Vorjahres des Landes verwiesen worden, nachdem er wiederholt öffentlich Präsident Reagans Engagement für die Contras gutgeheißen hatte. Bismarck Carballo, dem persönlichen Assistenten Kardinal Obandos, war kurz vorher aus ähnlichen Gründen nach einem Auslandsaufenthalt die Wiedereinreise verweigert worden. Von ihm liegt noch keine Stellungnahme vor. Die Rückkehr der nicaraguanischen Geistlichen war in mehreren Gesprächsrunden zwischen Regierung und Kirchenführung von den Bischöfen zur Voraussetzung für ein Tauwetter gemacht worden. Erwartungsgemäß wurde auch Kardinal Obando y Bravo aus dem Dreiervorschlag der Bischofskonferenz ausgewählt, den geistlichen Stand in der Versöhnungskommission zu vertreten. Als Stellvertreter wird Weihbischof Bosco Vivas agieren. Die Regierung wird in der Kommission von Vizepräsident Sergio Ramirez und Präsidentschaftsminister Rene Nunez repräsentiert. Als unabhängige Persönlichkeit wählte Daniel Ortega den Direktor des Evangelischen Hilfswerks CEPAD, Gustavo Parajon, aus, der der Befreiungstheologie anhängt. Sein Ersatzmann ist Gonzalo Ramirez, der Direktor des nationalen Komitees vom Roten Kreuz. Am schwierigsten war für den Präsidenten die Bestellung des Oppositionsvertreters, denn die elf Parteien hatten sich nicht auf einen gemeinsamen Dreiervorschlag einigen können und zwei Listen vorgelegt. Ortega: „Ihr bringt uns damit in eine unangenehme Situation, denn der Fall ist im Abkommen nicht vorgesehen.“ Die Regierung entschied sich für Mauricio Diaz von der Sozialchristlichen Volkspartei (PPSC) als Verteter der parlamentarischen Opposition, der im Dreiervorschlag der einen Gruppe nominiert wurde, und den Christlichsozialen Erick Ramirez aus der anderen Gruppe als Stellvertreter. Die „Christlichsoziale Partei“ (PSC) ist die größte der Parteien, die die Wahlen 1984 boykottiert haben. Ramirez steht einem Flügel seiner Partei vor, der inzwischen aus dem Rechtsbündnis „Coordinadora Democratica“ ausgeschert ist. Nicaragua ist das erste der fünf Unterzeichnerländer des Abkommens von Guatemala, das die Versöhnungskommission einberufen hat. Politiker und ausländische Beobachter, die das Ereignis kommentierten, bescheinigten der Kommission ausgewogene Zusammensetzung. Ob es den Sandinisten damit gelingt, aus der Position des „bösen Buben“ herauszukommen, in der sie sich befinden, seit sie den Präsidenten der antisandinistischen Menschenrechtskommission Lino Hernandez wegen Provokation der Polizei zu 30 Tagen Arbeitsarrest verurteilten, ist zweifelhaft.