Das war keine Revision

■ Offensichtliche Widersprüche in der Beweisführung gegen Boock

Als die Karlsruher Bundesrichter vergangenes Jahr das erste Stammheimer Urteil des 2. Strafsenats am Oberlandesgericht Stuttgart im „Strafmaß“ aufhoben und allein wegen der noch ungeklärten Frage der Drogenabhängigkeit Boocks zur Neuverhandlung nach Stammheim überwiesen, müssen sie blind gewesen sein oder aber die Unveränderbarkeit dieses Urteils gewollt haben. Als Gutachter für Boocks Heroin– und Opiatabhängigkeit in der Zeit von 1975 bis 78 hatte das damalige Gericht Herrn Hans Joachim Rauch aus Heidelberg bestellt. Prof. Herr Prof. Rauch, der Psychiater, das konnte im Verlauf des Prozesses durch Veröffentlichungen der taz und Zeit nachgewiesen werden, war im Dritten Reich als Euthanasiespezialist mit der Sezierung der Gehirne getöteter Kinder befaßt. Rauch durfte gleichwohl als sachverständiger Zeuge über Boocks Drogenkarriere räsonieren. Sein Schluß: Wenn Boock an den ihm vorgeworfenen Taten, der Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto, der Einrichtung einer Raketenwerferanlage gegenüber der Karlsruher Bundesanwaltschaft und der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer und seiner Begleiter beteiligt war, konnte er nicht gleichzeitig drogenabhängig gewesen sein. Rauchs Co–Gutachter, der Hohen–Asperger JVA– Psychiater Dr. Engell übernahm diese Ansicht. Das war nicht nur eine peinliche Entgleisung, das war ein Skandal, das mußten auch die Bundesrichter gemerkt haben. Die Tatvorwürfe wollten die Bundesrichter dennoch gewahrt wissen. Damit aber konnte auch das Revisionsurteil wiederum nur der Logik des Gutachters Rauch entsprechen. Daß Boock hochgradig drogenabhängig war, stand, durch Gutachten und Zeugen belegt, außer Frage. Der drogenabhängige Peter Jürgen Boock konnte also gar nicht, wie im ersten Urteil festgelegt, tatbeteiligt gewesen sein. Er mußte aber, denn genau das schrieb das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vor. Mit einem erneuten Revisionsantrag wollten Boocks Verteidiger nun genau diesen unsinnigen Widerspruch in einer weiteren Verhandlung auflösen. Dieser Antrag wurde am vergangenen Mittwoch vom Bundesgerichtshof als „offensichtlich unbegründet“ zurückgewiesen. Prof. Rauchs Logik ist also unbeschadet erhalten geblieben. Dietrich Willier