: Hessen im Gentec–Zeitalter
■ Heftige Kritik des hessischen Ex–Umweltministers Fischer an seinem Nachfolger / Weimar (CDU) genehmigte Hoechst–Versuchsanlage zur Herstellung von Insulin durch gentechnisch veränderte Bakterien
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) - Ein erregter Joschka Fischer (Grüne) kritisierte gestern im Rahmen einer Pressekonferenz vehement die Entscheidung des hessischen Umweltministers Karlheinz Weimar (CDU), der Hoechst AG den industriellen Einstieg in die Gentechnologie (Gentec) zu genehmigen. Die Beteuerungen von Weimar, daß es sich bei der Anlage, in der gentechnologisch veränderte Bakterien insulinhaltige Proteine produzieren sollen, lediglich um eine Versuchsanlage handele, seien „nichts als Lügen“. Nach Fischers Darstellung habe die Ho echst AG bereits Ende 85 einen Antrag auf Errichtung einer Produktionsanlage für synthetisches Insulin gestellt. Als der Konzern dann feststellen mußte, daß er bei der Errichtung einer solchen Produktionsanlage um die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Genehmigungsverfahren nicht herumkommen würde, zog er seinen Antrag zurück. Im April 86 legte die Hoechst AG dann einen neuen Antrag auf Errichtung einer Versuchsanlage vor, die - in ihrem ersten Teil - dann vom damals für den Immissionsschutz zuständigen Sozialminister Armin Clauss (SPD) genehmigt wurde. Als die Zustän digkeit für den Immissionsschutz später auf den hessischen Umweltminister Joschka Fischer übergegangen war, verlangte Fischer die Einleitung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach Paragraph 4 Bundesimmissionsschutzgesetz(BimSchG). Daß Fischer–Nachfolger Weimar dennoch ohne Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt habe, bezeichnete Fischer mit Hinweis auf das Genehmigungsverfahren bei ALKEM als das „Hanau–Syndrom“. Mit dieser industriellen Gentec–Produktionsanlage der Hoechst AG werde „absolutes Neuland“ betreten: „Und ist die Anlage erst einmal in Betrieb, wird aus der angeblichen Versuchsanlage sehr schnell eine Produktionsanlage werden - vorbei an der kritischen Öffentlichkeit.“ Weimar, so Fischer abschließend, habe sich mit seiner Genehmigung zum „Erfüllungsgehilfen der geschäftlichen Interessen der Hoechst AG“ gemacht. Der Minister habe mit seiner Quasi–Vorabzustimmung eine der unerforschtesten und wohl gefährlichsten Technologien, die es auf der Welt gibt, in Hessen installiert, ohne daß in Bonn oder in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden eine politische Entscheidung zur Gen– Technologie gefallen sei.
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