: „Wir sitzen kräftig in der Scheiße“
■ Beim „Olof–Palme–Festival“ kamen weniger Besucher als erhofft / Spenden sollen das Loch in der Kasse der Veranstalter stopfen / „Friedensstaffette“ stieß bisher auf wenig Resonanz / Kaum Interesse an Politiker–Talkshow
Aus Garching Luitgard Koch
Im Zelt der „Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner“ ist der 32jährige Thomas Rödl dabei, die letzten Bilder für die Ausstellung über Frieden und Abrüstung an die Stellwände zu nageln. Draußen auf der Bühne versprechen die Rockpunker von den „Toten Hosen“ ihren Fans nach dem Auftritt eine Tombola und fordern sie auf, von der Jacke bis zur Socke alles Mögliche auf die Bühne zu werfen. Die Fangemeinde ist begeistert: gute Stimmung beim Olof– Palme–Festival auf dem Go–kart– Gelände in Garching bei München. Die Aktionen der Friedebsstaffette haben bisher wenig Resonanz gefunden. „Die Leute sind darauf sehr wenig ansprechbar, obwohl es in den Friedensinitativen bekannt ist“, sagt Thomas Rödl, stellvertretender Landesvorsitzender der DFG/VK. Gerade sieben Teilnehmer seien es beim Grenzübergang Scharnitz gewesen, wo sich deutsche und österreichische Friedensbewegte zum friedlichen Radlkorso Richtung München treffen sollten. Mit einem Dutzend rechnet Rödl für die Weiterfahrt nach Augsburg. Von der Unterstützung der Grünen ist Rödl enttäuscht. „Im Moment ist finanziell nicht so viel drin, wir haben gerade die Geschichte mit den Sportlern für den Frieden hinter uns“, verteidigt sich Heide Menzold–Depner von den bayerischen Grünen. Aber auch politische Gründe stecken wohl hinter der anfänglichen Zurückhaltung der Grünen. „Zu SPD–nah“ erschien ihnen zu nächst das ganze Konzept. „Wir wollten alle Parteien dazu einladen, nicht zuletzt, um die vorhandenen Widersprüche aufzudecken“, sagt Rödl. In der SPD/SED– Erklärung werde lediglich von „beseitigen“ und „entfernen“ der Raketen gesprochen. Die Mög lichkeit einer Verlagerung außerhalb des Korridors bleibe offen. „Unsere Position ist: verschrotten“, erklärt Rödl. Für die angekündigte „Talkshow“ mit dem „Roten Rudi“ Schöfberger, dem bayerischen SPD–Landesvorsitzenden, und der Grünen Landessprecherin interessiert sich kaum jemand. Die kurzen Statements bleiben ein Lückenbüßer für die Umbaupause nach dem Auftritt von „uns UDO“, der sich bereits sein Nachwuchspublikum si chert. Immer wieder wirft er sein Mikro in die Menge der begeisterten Kinder und Teenies und blickt tief in leuchtende Kinderaugen. „Tob, tob, tob“ schreit der ehemalige Töpfermeister und Bandleader Hans–Jürgen Buchner von der niederbayerischen Jazzrock– Gruppe ins Mikro. Aggressionsabbau zum Preis von 23 Mark - soviel kostet eine Eintrittskarte - verspricht er den Fans. „Toben“, um Magengeschwüren vorzubeugen, scheint um diese Uhrzeit auch für die Veranstalter das richtige Rezept zu sein. „Das Olof–Palme– Festival entwickelt sich zu einem echten Höhepunkt“, verkündeten sie noch am frühen Nachmittag. „Wir sitzen ganz kräfig in der Scheiße, das heißt die Friedensbewegung“, sagt Werner Klar, Bundessprecher der DFG/KV, zwei Stunden später. Es muß gesammelt werden. Keiner der Organisatoren will sich befragen lassen. 25.OOO Besucher wären nötig gewesen, um die Kosten von ungefähr einer halben Million zu decken. Gekommen sind schätzungsweise 18.000, trotz strahlendem Sonnenschein. Woran liegts? Hat das Biergartenwetter die Bayern abgehalten, sind die bayerischen Fans auf dem Rückweg aus dem Urlaub im Stau steckengeblieben, oder war das Ganze eine Nummer zu groß für die Bewegung und die Bands nicht zugkräftig genug? Werner Klar wirkt hilflos. Man habe eben gedacht, daß „ein Festival mit sonem Spitzenprogramm sich schon finanzieren werde“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen