: Milliarden im leeren Raum
Mit dem Start der Ariane haben auch die hochfliegenden Raumfahrtpläne der Bundesregierung wieder Auftrieb bekommen. Mit den USA möchte man an dem Abenteuer einer gemeinsamen Weltraumstation festhalten, für die die europäische Raumfahrtagentur ESA das Modul „Columbus“ liefern soll, obwohl es bisher keinerlei Garantie für ihre ausschließlich friedliche Nutzung gibt. Der finanzielle Anteil der BRD beträgt nach bisherigen Angaben 2,8 Mrd. Mark. Für die Erhaltung der europäischen Raum fahrtautonomie soll die Entwicklung des Europa–Raumgleiters „Hermes“ betrieben werden, der die BRD nach augenblicklichen Zahlen ebenfalls 2,8 Mrd. kosten wird. Zusätzlich soll die für den Transport von „Hermes“ geeignete schubstarke Trägerrakete „Ariane 5“ gebaut werden, für die der Bundeshaushalt noch einmal 1,7 Mrd. hinblättern muß. So kleinkarierte Fragen wie die, wer das eigentlich alles bezahlen soll, lassen die Weltraum–Politiker und ihre Experten nicht gelten. Eine Gutachtergruppe der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP), die sich mit dem Komplex der Deutschen Weltraumpolitik im vergangenen Jahr ausgiebig beschäftigt hat und auf deren Expertise sich die Bundesregierung maßgeblich stützt, verweist darauf, daß „die politische Stellung eines Staates, sein Ansehen und sein Einfluß innerhalb der internationalen Gemeinschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert...wesentlich davon abhängen, ob er fähig und bereit ist, den Weltraum zu erschließen“. Angesichts solcher Ziele darf nicht gerechnet werden. Die Gutachter haben daher auch keine Schwierigkeiten festzustellen, daß ein so „kostenintensives Weltraumprogramm...erhebliche Mittel auf Dauer binden“ und „fühlbare Verschiebungen im Bundeshaushalt“ zur Folge haben werde. An der Öffentlichkeit vorbeigemogelt Fühlbare „Verschiebungen“ wird das Weltraumprogramm mit Sicherheit zur Folge haben. Zu diesem Ergebnis kommt das Memorandum einer Gruppe kritischer Wissenschaftler zur deutschen Weltraumpolitik, das Anfang der Woche in Bonn vorgestellt wurde. Die 25 Wissenschaftler, unter ihnen der ehemalige Grünen–Abgeordnete Henning Schierholz, der Bielefelder Soziologe Johannes Weyer und der Berliner Politologe Ulrich Albrecht warnen vor der „bedenklichen Weichenstellung“ durch das Weltraumprogramm, mit dem ein Vielfaches der jetzt vorgelegten Finanzmittel verplant wird. Die Autoren bemängeln vor allem, daß die Raumfahrtpolitik an einer öffentlichen Debatte über die damit verbundenen Folgen praktisch vorbeigemogelt wird. Forschungminister Riesenhuber selbst wäscht seine Hände in Unschuld mit dem Hinweis, daß die Raumfahrtplanungen forschungspolitisch allein nicht zu begründen seien. Dennoch werden die Weichen über den Etat seines Hauses gestellt, und im nächsten Jahr werden die verschiedenen Weltraumprojekte bereits 20 Prozent des Forschungshaushaltes verschlingen. Industrie hält sich bedeckt Und wer gewinnt dabei eigentlich, fragt die Kritiker–Gruppe. Ökonomisch natürlich die Raumfahrtindustrie, die für lange Zeit gefüllte Auftragsbücher hat. Führten aber Teile der Raumfahrtprojekte zum kommerziellen Erfolg, so werden diese privatisiert, wie jetzt das Ariane–Transportgeschäft. Der Gewinn an technologischem Know–how für andere Bereiche, der berühmte „spin off“– Effekt, wird selbst von Raumfahrtbefürwortern eher gering eingeschätzt. Eine Studie für das Forschungsministerium von 1986 kommt zu dem Ergebnis, „daß ..die Entwicklung neuer Produktionstechnologien, Erzeugnisse und Verfahren anhand von NASA–Technologien und Erfahrungen verhältnismäßig selten sind und die Ausnahme bilden“. Wie fragwürdig solche Weltraum–Abfallprodukte sind, zeigt sich auch darin, daß die Industrie, die immer wieder heftig zur Teilnahme an Weltraum–Experimenten eingeladen wird, sich dezent zurückhält. Daß die wirtschaftliche Leistungskraft vom Einstieg in die Raumfahrt abhängen soll, leuchtet nicht einmal dem Deutschen Industrie– und Handelstag ein. Auch das Argument, daß der Weltraum ein weites Feld für Erkenntnisse der Grundlagenforschung sei, überzeugt niemanden so recht. Vor allem gehen die dafür aufgewendeten Mittel irdischen Grundlagen–Projekten verloren. Die Wissenschaftler–Gemeinde ist deshalb keine zugkräftige Lobby für die Raumfahrt–Pläne. Was bleibt, ist der Gewinn an nationalem Prestige, auf den auch das DGAP–Gutachten seine Argumentation aufbaut. Darin sehen die „Memorandum“–Autoren „eine Neigung zur Großmachtpolitik, die den an einer friedlichen Zukunft interessierten Leser erschrecken läßt“. Heimliches Standbein: militärischer Nutzen Kein Wunder, daß das heimliche Standbein der Raumfahrtpläne, sein militärischer und militär– strategischer Nutzen, immer unverhohlener in die Debatte geführt wird. Die Autoren des Memorandums weisen auf eine breite Verzahnung des Raumfahrtprogrammes mit militärischen Plänen hin. So werde die „Ariane 5“ nach neuesten Plänen wahrscheinlich so schwer, daß sie als Transportmittel für den Raumgleiter „Hermes“ möglicherweise nicht mehr geeignet ist. Statt dessen ist sie bestens geeignet, schwere Spionage–Satelliten oder Aufklärungsplattformen zu transportieren. Für die leichteren Kommunikationssatelliten tun es auch die kleineren Modelle Ariane 3 und 4. Das Fazit lautet daher: Verzicht auf die Großprojekte Ariane 5, Hermes und Columbus. Statt dessen eine breite Diskussion über den Nutzen (bemannter) Raumfahrt und, daraus folgend, eine Neubewertung zukünftiger Investitionen. Im Übrigen halten die Autoren des Memorandums (bemannte) Raumfahrtprogramme, sofern sie eindeutig friedlich orientiert und international sowie blockübergreifend organisiert sind, durchaus für akzeptabel. Woher nun plötzlich die Nützlichkeit solcher Raumfahrtprojekte kommen soll, die von den Autoren auf 60 Seiten widerlegt wurde, bleibt freilich ihr Geheimnis. Die Legitimität von material– und biowissenschaftlichen Experimenten (in einer blockübergreifend–internationalisierten Raumfahrt) wird von nichts anderem abhängig gemacht als davon, daß sie den „gültigen Standards der Wissenschaftlichkeit sowie der Kosteneffektivität genügen“ müssen. Wer soll eine solche Vergleichsrechnung anstellen, wenn die Voraussetzung für Weltraumexperimente eine milliarden– teure Raumfahrt–Infrastruktur ist? Hier scheinen die Autoren ein Verhandlungs–Brückchen zu Kollegen aus anderen Parteien konstruieren zu wollen: Weltraum– Realpolitik.
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