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Atomlobby in der ÖTV: abgeblitzt

■ Der Hauptvorstand der ÖTV will Ende der Woche über den Atomkurs der Gewerkschaft entscheiden: Die Beschlußvorlage für das Spitzengremium hält am Ausstieg „so rasch wie möglich“ fest / Atomfreunde in den eigenen Reihen konnten sich nicht durchsetzen

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Die Atomlobby in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat sich nicht durchgesetzt. Der ÖTV–Hauptvorstandssitzung am Donnerstag und Freitag dieser Woche liegt eine Beschlußvorlage vor, die ein deutliches Bekenntnis zum Ausstieg aus der Atomenergie „so rasch wie möglich“ enthält. In dem Papier, das der taz vorliegt, wird die Atomenergie als „Übergangstechnologie“ eingestuft, deren Einsatz zur Stromerzeugung „nur noch für einen begrenzten Zeitraum verantwortbar“ ist. Damit setzt sich die jetzt vorliegende Beschlußvorlage deutlich von dem Bericht einer „Experten–Kommission“ ab, die der ÖTV–Hauptvorstand im Oktober letzten Jahres eingesetzt hatte. Diese fast zur Hälfte aus Atomlobbyisten zusammengesetzte Kommission hatte im Juli nach heftigen internen Auseinandersetzungen einen nicht–öffentlichen Bericht vorgelegt, in dem ein Ausstieg, wenn überhaupt, nur mittel–bis langfri stig für möglich gehalten wird. Die heftige öffentliche und organisationsinterne Auseinandersetzung um den Ausstiegs–Schlingerkurs der zweitgrößten DGB– Gewerkschaft hat damit zu einer deutlichen Kurskorrektur geführt. Zwar wird der ÖTV–Hauptvorstand die „umfangreichen und sorgfältigen Arbeitsergebnisse“ der ÖTV–Kommission begrüßen, gleichzeitig aber die Zielrichtung des Kommissionsberichts in sein Gegenteil verkehren. Denn die Empfehlungen der Kommission, so heißt es in Umkehrung der tatsächlichen Kommissionsaussage, machten deutlich, daß „der Verzicht auf den Einsatz von Kernenergie... möglich und realistisch“ sei. Der Anteil der Atomenergie soll begrenzt und schrittweise reduziert werden, heißt es in der Beschlußvorlage. Folgende Sofortmaßnahmen werden gefordert: Die Revision des Atomgesetzes mit dem Ziel, „die Voraussetzungen für die Stillegung von Kernkraftwerken festzulegen“. Die öffentliche Förderung der Atomenergie müsse entfallen. Der Bau von weiteren Atomreaktoren wird abgelehnt. Die im DGB–Beschluß von 1986 erhobene Forderung, die Atomkapazitäten dürften sich nicht weiter erhöhen, wird detailliert ausformuliert: „Die derzeit genutzte nukleare Stromerzeugungskapazität darf nicht erhöht werden.“ Eine Inbetriebnahme im Bau befindlicher Atomkraftwerke dürfe im Einzelfall nur dann genehmigt werden, wenn eine Bedarfsprüfung dafür die zwingende Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung „und zur Erfüllung der nach dem Energieversorgungsgesetz übertragenen Versorgungspflicht“ nachgewiesen habe. In diese Prüfung sei die Stillegung bestehender Atomkraftwerke einzubeziehen. Damit lassen die ÖTV–Energiepolitiker ihrer organisationsinternen Atomlobby ein Schlupfloch für die weitere Inbetriebnahme von im Bau befindlichen Atommeilern. Andererseits wird angesichts der bestehenden Überkapazitäten der Nachweis schwerfallen, daß die Erhöhung der Atomstromkapazität tatsächlich unabweisbar ist. Als dritte Sofortmaßnahme wird die Verschärfung der Sicherheitskriterien gefordert. Sicherheitstechnisch nicht verantwortbare Atomkraftwerke seien „sofort stillzulegen“. Der geschäftsführende Hauptvorstand wird beauftragt, „in Abstimmung mit dem DGB und seinen Gewerkschaften eine politische Offensive einzuleiten“. Fortsetzung Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Die ÖTV macht sich nicht mehr, wie in dem Bericht der ÖTV–Kommission, von der Existenz eines „breiten gesellschaftlichen Konsens“ über den Atomausstieg abhängig, sondern tritt an die Bundestagsparteien mit der Forderung heran, „eine breite Verständigung über die notwendige Umorientierung der Energiepolitik herzustellen“. Bestandteile einer neuen Energiepolitik sollen vor allem Energiesparmaßnahmen, die Nutzung regenerativer Energiequellen sowie eine „Stärkung der Kohle–Vorrang–Politik“ sein. In diesen Teil der Beschlußvorlage sind offensichtlich Vorstellungen des Öko–Instituts Freiburg eingeflossen, die diese ganz zum Schluß in der ÖTV–Expertenkommission noch vorgelegt hatte. Zuvor war eine Beteiligung des Öko– Instituts an der Kommissionsarbeit monatelang an organisationsinternen Querelen bei der ÖTV gescheitert.

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