Euro–Militärs auf dem Vormarsch

■ Mitterand will Europäischen Verteidigungsrat / Deutsch–französisches Militärspektakel „Kecker Spatz“ beendet / Friedensbewegung als „Kesse Taube“ gegen das Manöver / Auch andere Manöver–Turbulenzen

Berlin/Paris (taz) - Ausgesprochen zufrieden äußerten sich Offizielle aus Frankreich und der BRD über den „vertrauensbildenden Charakter“ des Manövers „Kecker Spatz“, das gestern zu Ende ging. Sie sehen darin einen konkreten Schritt zu einer europäischen Verteidigungsstrategie. Staatspräsident Mitterand sprach am Rande des Manövers davon, daß die Bunderepublik und Frankreich einen gemeinsamen Verteidigungsrat bilden werden. Gespräche darüber sollen in Kürze beginnen. Er könne sich auch vorstellen, daß andere europäische Länder wie Spanien zum Beispiel an einem solchen Übereinkommen interessiert sein könnten. Es könne u.a. Verteidigung, Rüstung, Forschung und den Einsatzplan für Großverbände umfassen. Geklärt werden müsse, wie sich Erfordernisse des NATO–Bündnisses und die der französischen atomaren Abschreckungsstrategie vereinbaren ließen. Die Frage der Einbindung der nuklearen französischen Kurzstreckenraketen sei abhängig von dem zu schließenden Abkommen. Heiß umkämpft im doppelten Sinn war bei dem Manöver am gestrigen Tag der Ort Großmuß an der Donau, in einem kleinen Tal zwischen zwei Hügeln gelegen. Während auf dem „Feldherrnhügel“ rund 500 Journalisten und die versammelte Generalität mit steigender Erregung den Nahkampfs–zenen der französischen „Schnellen Eingreiftruppe“ zuschaute, demonstrierten in Sichtweite auf dem anderen Hügel rund hundert Mitglieder der Friedensbewegung gegen dieses „Störmanöver gegen die Abrüstungschancen“ (der Grüne Bundestagsabgeordnete Mechtersheimer). Zuvor waren den Demonstranten, die unter dem Motto „Kesse Taube“ gegen das Manöver angetreten waren, die Flügel gestutzt worden. In Kehlheim, wo Bundeskanzler Kohl und der französische Staatspräsident Mitterand mit einem „historischen Händedruck“ auf der Mitte der provisorischen Donau–“Kriegsbrücke“ dieses erste gemeinsame Manöver unter der „operationellen Kontrolle“ der Bundeswehr abgefeiert hatten, verhinderten staatstragende militärische Einheiten Aktionen der Friedensbewegung. Vereitelt wurde das majestätische Vorbei schwimmen einer riesigen Weltkugel mit Friedenstaube sowie weiterer kleiner „Friedensbo(o)ten“ auf der Donau. Auch ein großes Transparent mit der Aufschrift „Freundschaft ohne Waffen“ konnte an der „Befreiungshalle“ nicht aufgehängt werden. Doch auch auf der militärpolitischen Ebene blieb das Manöver nicht von Turbulenzen verschont. Mochte bis zum Beginn des Manövers besonders in Frankreich niemand so recht daran glauben, daß sich die französische Armee unter ein deutsches Oberkommando begeben könnte, sind auch nach dem nun beendeten Militärspektakel Zweifel an Frankreichs Einsatzbereitschaft auf der deutschen NATO–Seite nicht ausgeräumt. Bereits bei der Vorbereitung der Militärübung war es zwischen den Generalstäben zu Reibereien gekommen. Während die französischen Generäle zum Beispiel für das Übungsszenarium davon ausgehen wollten, daß es in der BRD zu pazifistischen Aufständen gekommen sei, die die Bundeswehr demoralisierte, was wiederum ein Feind aus dem Osten auszunutzen trachteten, war das den bundesdeutschen Militärs zu heiß. Sie setzen sich mit der Vorstellung eines „traditionellen“ Angriffs aus dem Osten durch, bei dem französische Verbände den deutschen zur Hilfe eilen. Georg Blume/Raul Gersson