Frauen zögernd auf dem Weg zur Waffe

■ Streitgespräch über „Frauen zum Bund“ in der Friedrich–Ebert–Stiftung / FDP will das Thema jetzt nicht puschen / Gutachten von Wörner steht noch aus / Ominöse Ein–Frau–Initiative will klagen

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

In einem Bonner Vorort räumten am Donnerstag die ersten Frauen beim Bundesgrenzschutz ihre Spinde ein und erzählten für die Tagesschau, warum „das mein Traumberuf ist“. Zur gleichen Zeit lud in der nahen Hauptstadt die Friedrich–Ebert–Stiftung zum Streitgespräch über den nächsten Schritt: Frauen zur Bundeswehr. Für die Sozialdemokratinnen ist die Beschlußlage klar: Sie sind gegen einen freiwilligen Dienst von Frauen, gegen eine weibliche Wehrpflicht ohnehin, und eine Grundgesetzänderung, die den Dienst an der Waffe möglich machen würde, soll es mit den Stimmen der SPD nicht geben. Die Akzente werden allerdings unterschiedlich gesetzt. Katrin Fuchs, Mitglied im Verteidigungsausschuß, plädierte dafür, die Personalprobleme der Bundeswehr als Chance zur konventionellen Abrüstung, also zur Truppenreduzierung, zu nutzen: „Wir haben zu viele, nicht zu wenig Soldaten.“ Inge Wettig–Danielmeier, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, sah über die Beschlußlage hinaus in die Zukunft: „Wenn es die zweite Bundeskanzlerin gibt, können wir auch über den Dienst von Frauen reden.“ Denn völlige Gleichberechtigung hieße doch Wehrpflicht und Waffendienst für Frauen, auch wenn dies jetzt noch aufgrund der sonstigen sozialen Benachteiligungen der Frauen abzulehnen sei. Klar ist die Beschlußlage seit dem Kieler Parteitag in der FDP: Frauen sollen „gleichberechtigt und freiwillig Dienst leisten können - auch mit der Waffe“. Ursula Seiler–Albring, Abgeordnete und Frauenpolitikerin der FDP, räumte allerdings ein, daß der Waffen–Zusatz die Durchsetzung des Beschlusses erschwere. Der erste Schritt müsse sein, „Verwendungsabläufe“ bei der Bundeswehr so zu gestalten, daß ein Dienst ohne Waffe möglich sei. Bloße Lückenbüßerinnen könnten Soldatinnen nicht sein, denn: „Die Personalprobleme der Bundeswehr werden so groß sein, daß sie mit Frauen gar nicht zu lösen sind.“ Überlappungen mit der FDP– Position zeigen sich zwar in der Sozialdemokratie, werden aber nicht öffentlich geäußert. Dietrich Genschel, früher Planer im Verteidigungsministerium für die Frauen–Einbeziehung unter SPD– Minister Apel und heute NATO– General, warb vehement für die Chance, daß „die Frauen in der Bundeswehr von Null aus anfangen könnten mit der Verwirklichung von Gleichberechtigung“. Deshalb sollten gerade die Gewerkschaftsfrauen beim Bund aktiv werden. Im NATO–Vergleich sei eine Öffnung der Bundeswehr für Frauen auf Dauer ohnehin unumgänglich. Melitta Nonn, als Frauenreferentin im Wörner–Ministerium, und nicht als Genossin geladen, wollte ihrem Arbeitgeber keine Frauenfeindlichkeit unterstellen. Zwar sind die bisher 53.000 weiblichen Zivilbeschäftigten beim Bund eher in der Kantinenküche als im Konstruktionsbüro anzutreffen, aber: „Die Verteidigung war lange Zeit nicht attraktiv für Akademikerinnen - das ändert sich allmählich. Wir müssen abwarten, bis sie auch in Spitzenämter aufgestiegen sind.“ Ein neues Gutachten des Verteidigungsministeriums läßt noch auf sich warten. Offenbar gibt es auch auf der Hardthöhe Probleme damit, „Verwendungsabläufe“ für Soldatinnen ohne Waffe zu definieren. Die FDP will dieses Gutachten abwarten, bevor sie Schritte zur Umsetzung ihres Parteitagsbeschlusses unternimmt. Ursula Seiler–Albring: „Wir wollen das Thema jetzt nicht puschen.“ Beim Koalitionspartner CDU/CSU haben sich zumindest die Frauen der Fraktion überwiegend für Soldatinnen ausgesprochen. In der Öffentlichkeit rührt derweil die Initiative „Frauen zum Bund“ die Trommel, ein ominöses Ein–Frau–Unternehmen der Bonnerin Regina Senft, der schon unterstellt wurde, eine Tarnfirma des Verteidigungsministeriums zu sein. Sie sieht sich als Vertreterin „tausender Frauen und Mädchen“, die zum Bund wollen, und fordert einen Ministererlaß, der analog zur Zulassung zum Bundesgrenzschutz die Bundeswehr von heute auf morgen für Frauen öffnen würde. Nach eigenen Angaben weiß Frau Senft bereits zwei Schulabgängerinnen, die sich auf verwaltungsgerichtlichem Weg stellvertretend in die Bundeswehr hineinklagen wollen. „Weil es auf dem Arbeitsmarkt für Frauen so schlecht aussieht“, sieht Renate Schmidt, Vize–Chefin der SPD–Fraktion, die Gegnerinnen weiblichen Soldatentums in der Defensive. Eine neue Arbeitsgruppe der Fraktion wurde darum beauftragt, sich argumentativ für die kommenden Auseinandersetzungen zu rüsten.