: I N T E R V I E W „Die Uranbergwerke sind im gewissen Sinn unser Tschernobyl“
■ Navaho–Indianer John Redhouse aus Neumexiko, in dessen Heimat die größte amerikanische Uran–Mine liegt, über den Anfang des Atomkreislaufs / Der Uran–Abbau muß aufhören
taz: Was bringt Dich auf diese Konferenz? Wo kommst du her? Redhouse: Ich heiße John Redhouse. Ich bin ein Navaho von Farmington, (Bundesstaat) Neumexiko. In den vergangenen 15 Jahren habe ich mich mit Umweltproblemen beschäftigt, von denen wir Indianer betroffen sind. Ich bin aktiv daran beteiligt, eine Widerstandsbewegung unter amerikanischen Indianern gegen die Urangewinnung, die Teil des Atomkreislaufs ist, aufzubauen. Wie sind speziell die Navaho von der Urangewinnung betroffen? Unser gesamtes Leben wird durch die Uranminen und die damit verbundenen Umweltbelastungen beeinflußt. Meine Eltern zum Beispiel wurden im Gebiet der Minen geboren. Viele meiner Verwandten und Mitglieder sowohl meines mütterlichen wie väterlichen Klans sind nicht nur von den Uranminen selbst betroffen, sondern auch von den Umweltschäden, die bei der Verarbeitung und dem Transport von Uran sowie der Schürfung nach neuen Uranvorkommen und der Lagerung der in hohen Mengen entstehenden radioaktiven Abfälle auftreten. Wo liegen diese Uranminen? Meine Eltern lebten im Gebiet des Red Rock Valley in Neumexiko in einem Indianer–Reservat. Wie kam es dazu, daß die US–Regierung in das für Indianer reservierte Land eindrang und Uranminen betreibt? Das begann in den vierziger Jahren. Das US–Innenministerium verpachtete - ohne Rücksprache mit den Indianern - Stammesland für die Gewinnung von Uran. 1945 lud das Ministerium die „Canadian Corporation of America“ ein, mit der Gewinnung von Uran für das Manhattan Project, das für die Entwicklung der Atombombe verantwortlich war, zu beginnen. Und seitdem hat das Innenministerium immer neue Konzerne auf unser Land geholt. Sind je Studien über das Ausmaß der Verseuchung durchgeführt worden? Die Regierung hat sich nur minimal mit den Auswirkungen beschäftigt. Freiwillige Hilfsorganisationen wie „March of Dimes“ oder medizinische Fakultäten verschiedener Universitäten haben die unterschiedlichsten Studien durchgeführt. Eine Studie der Navaho–Umweltkommission vom letzten Jahr hat ergeben, daß mindestens ein Drittel des Reservats verseucht ist. Das ist ein riesiges Gebiet - mindestens zwei Millionen Hektar Boden und Wasser. Das ist in einem gewissen Sinn unser Tchernobyl. Es stellte sich heraus, daß 600 Häuser verseucht sind. Die Menschen werden zur Zeit umgesiedelt. Es wurden ungewöhnlich hohe Raten von Geburtsschäden und Totgeburten festgestellt. Die Säuglingssterblichkeit ist sehr hoch. Unsere Nahrungskette und unsere genetischen Ressourcen sind betroffen und damit auch zukünftige Generationen. Haben die Indianer in den Bergwerken gearbeitet? Ja, viele haben dort gearbeitet, und viele sind gestorben. Es gibt Studien, nach denen über die Hälfte der Bergarbeiter in den Uranminen an den typischen durch radioaktive Strahlung bedingten Krankheiten gestorben sind oder sterben werden: Lungenkrebs, Leukämie usw. Wieviele der Minen sind heute noch in Betrieb? Zur Zeit ist noch ein Uranbergwerk auf Indianerland in Betrieb. Aber alle anderen Minen sind einfach verlassen worden. Sowohl Tagebauwerke wie Untertagewerke liegen offen da. Sie sind wie offene Wunden, aus denen nach wie vor radioaktive Gase, Staub und Wasser in die weitere Umwelt gelangen. Die Mine, die noch auf Navaho–Land in Betrieb ist, befindet sich auf „Mount Taylor“, einer der vier Berge, die uns heilig sind. Mit „Chevron Resources Company“ operiert das größte Untertagebergwerk der Erde auf diesem Berg: zwei Schächte, die je über einen Kilometer tief sind. Sie produzieren über 600 Tonnen Erz täglich; das soll auf über 4.000 Tonnen täglich erhöht werden. Das alles geschieht auf unserem heiligen Berg. Für uns ist das eine Vergewaltigung der Mutter Erde und Schändung unseres Heiligtums. Wir leiden also nicht nur unter physischem Völkermord - unter Krankheit und Tod - sondern auch unter spirituellem Völkermord. Was bedeutet diese Konferenz für Dich? Ich habe in den Jahren, in denen ich am Aufbau des Widerstands der Navaho–Indianer gegen die Uranmine die unser Schwesterstamm sind. Unsere Sprache ist mit der ihren verwandt. Wir sind Menschen, die sehr nahe der Erde leben, deren Wirtschaft direkt von der Erde abhängig ist. Wir sind Opfer des nuklearen Kreislaufs und suchen eine gemeinsame Strategie, damit das Uran in der Erde bleibt.
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