Erneute Geiselnahme in schottischem Knast

■ In den überfüllten Knästen Schottlands reißt die Serie von Aufständen und gewalttätigen Protesten nicht ab / Auch eine Amnestie konnte die Gefängnisse ebensowenig entlasten wie das ambitionierte Knastbauprogramm der Regierung Thatcher / „Law and order“ statt Reform

Aus London Rolf Paasch

Zum dritten Mal innerhalb von einer Woche haben schottische Häftlinge in der Nacht zum Montag einen Gefängniswärter als Geisel genommen, um gegen die Haftbedingungen in den veralteten und überfüllten Gefängnissen Großbritanniens zu protestieren. Während sich die drei Insassen des ältesten schottischen Knastes in Perth am Montagnachmittag mit einem Wärter weiterhin in Block C verbarrikadiert hielten, rüsteten sich jenseits der Mauern bereits Sondereinheiten der Polizei für ihren Einsatz. Der neue gewaltsame Protest in Perth begann nur 36 Stunden nach einer Geiselnahme im ebenfalls schottischen Gefängnis von Peterhead, wo mehrere Häftlinge einen Wärter fünf Tage lang in ihrer Gewalt gehalten hatten. Diese Geiselnahme endete, als die Sonder einsatztruppe der SAS (das britische Äquivalent der deutschen GSG 9) den Knastflügel stürmte und den Gefängniswärter befreien konnte. Der Protest von Peterhead zeigte, daß viele der schottischen Langzeithäftlinge nach der Abschaffung von Haftverkürzungen für gute Führung offenbar nichts mehr zu verlieren haben. In Perth dagegen, wo Bagatellsünder neben Gewalttätern eingelocht sind, scheint eher die chronische Überbelegung die Häftlinge zu der Protestaktion veranlaßt zu haben. Trotz einer Amnestie für 4.000 Häftlinge im Sommer dieses Jahres platzen die britischen Knäste mit über 50.000 Insassen bei 35.000 Plätzen aus allen Nähten. Selbst das ambitionierte Knastbauprogramm der Regierung Thatcher führt kaum zu einer Verbesserung der Haftbedingungen, da in Großbritannien nach wie vor mehr Bürger in den Knast wandern als unter dem Militärregime in der Türkei. Noch vor einer Woche hatte die offizielle Gefängnis–Aufsichtsbehörde das Innenministerium kritisiert, weil es immer noch 600 Gefangene unter barbarischen Bedingungen in fensterlosen und überbelegten Polizeizellen aufbewahre, die an die „Slums von Bombay“ erinnerten. Doch statt die von der schottischen Bürgerrechtsorganisation geforderte grundlegende Reform des Knastwesens in Angriff zu nehmen, wird der am Dienstag beginnende Tory–Parteitag aller Voraussicht nach die traditionelle, konservative Bestrafungsmentalität noch weiter treiben. Nach den neuen „Gewalttätigkeiten“ in schottischen Knästen wird der alljährliche Ruf nach mehr „Law and order“ und der Wiedereinführung der Todesstrafe in diesem Herbst noch lauter erschallen.