piwik no script img

Was ließ Barschels Herz versagen–Mord?

■ Die Mutter des toten CDU–Politikers zur taz: Ich bin davon überzeugt, daß er ermordet wurde / Richterin ordnete toxikologische Untersuchung der Leiche an

Genf/Kiel (taz/dpa) - Die Familie von Uwe Barschel hat Zweifel daran, daß der ehemalige Kieler Regierungschef in seinem Genfer Hotelzimmer eines natürlichen Todes gestorben ist oder Selbstmord begangen hat. An ihrem Schweizer Aufenthaltsort sagte die Mutter Barschels gegenüber der taz auf die Frage, ob ihr Sohn umgebracht wurde: „Ja, davon bin ich überzeugt.“ Den Mordverdacht äußerte auch Eike Barschel, der Bruder des toten CDU–Politikers, der bei Genf lebt. Er äußerte diesen Verdacht gegenüber einer Redakteurin des Saarländischen Rundfunks, ohne zunächst genauere Anhaltspunkte für seine Vermutung zu nennen. Ein Sprecher der Genfer Polizei wies die, wie er sagte, Gerüchte, Barschel sei ermordet worden, am Montagnachmittag als Fabeln zurück. Allerdings gehe die Polizei allen Möglichkeiten nach. Am Morgen hatte sich die mit dem Fall des toten Politikers befaßte Genfer Untersuchungsrichterin Claude Nicole Nardin vorsichtig zu den Ergebnissen der Autopsie Barschels geäußert. Man könne lediglich sicher sagen, daß der Tote keine Wunden aufweise und sein Herz „in schlechtem Zustand“ war. Nach der ersten Untersuchung werde jetzt eine eingehendere toxikologische Analyse durchgeführt. Vor deren Abschluß könne nichts endgültiges über die Todesursache Barschels gesagt werden. Die toxikologische und chemische Untersuchung kann nach Angaben der Genfer Polizei einige Tage dauern. Tagesthema und Fortsetzung auf Seite 3 Einen Tag nachdem Stern–Reporter den 43jährigen Barschel tot in der Badewanne des Genfer Hotels Beau–Rivage entdeckt hatten, sprach die Kieler Landesregierung gestern hingegen davon, man müsse „von natürlichem Tod durch Herzschlag“ ausgehen. Dabei berief sich die Regierungspressestelle auf die Genfer Polizei. Unterdessen halten die Spekulationen darüber an, ob Barschel am Samstag in Genf mit einem Zeugen zusammengetroffen ist, der ihm entlastendes Material übergeben wollte. Die Stern–Reporter hatten den Toten voll bekleidet, aber ohne Schuhe und Jackett in der gefüllten Badewanne seines Zimmers liegen gefunden. Der Kopf Barschels habe aus dem Wasser geragt. Die Kieler SPD–Fraktion strebt nach dem Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten jetzt offenbar Neuwahlen an. Eine entsprechende Forderung stellte am Montag der Kieler Fraktionsgeschäftsführer der Partei, Gert Börnsen. Der Untersuchungsausschuß des Kieler Landtags will in der kommenden Woche den ehemaligen Medienreferenten der schleswig– holsteinischen Regierung, Reiner Pfeiffer, hören. Das Gremium hat am Montag vormittag erwartungsgemäß einstimmig beschlossen, die öffentlichen Sitzungen bis zur Beisetzung des früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) zu unterbrechen. Wie der Vorsitzende Klaus Klingner (SPD) nach einer internen Sitzung vor Journalisten mitteilte, geht der Ausschuß vorerst davon aus, daß Pfeiffer als Betroffener am kommenden Montag ganztägig zu allen Vorwürfen vernommen wird, die er gegen Barschel und andere Landesbedienstete erhoben hat. Seine Anhörung soll gegebenenfalls an einem zweiten Tag fortgesetzt werden. Kanzler Helmut Kohl, hat die Verdienste des ehemaligen schleswig–holsteinischen Ministerpräsidenten gewürdigt. Am Rande einer Vorstandssitzung der CDU erklärte Kohl am Montag in Bonn: „Wir alle verspüren die Tragödie dieser Stunde, die stumm macht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen