: Haftbefehl nach Todesschuß
■ Hamburger Staatsanwaltschaft verhaftet einen Freund des Freitag nacht erschossenen Göcmen–Anhängers wegen Verdachts auf Totschlag Aufruf gegen Gewalt bei politischen Konflikten
Hamburg/Berlin (taz) - Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat gestern gegen den 34jährigen Türken Yilmaz U. Haftbefehl wegen des Verdachts des Totschlags erlassen. Yilmaz U. war zusammen mit anderen in der Nacht von Freitag auf Samstag festgenommen worden, in der sein Freund Aydin Erol (21) erschossen worden war. Der Vorfall ereignete sich in einer Kneipe, wo Yilmaz U. Aydin Erol und weitere Bekannte, die alle zu der linken türkischen Immigrantenorganisation „Göcmen“ (Der Einwanderer) gehören, ein Geburtstagsfest feierten. Im Verlaufe des Abends erschienen Mitglieder einer anderen linken türkischen Organisation, „Dev Genc“, die „Göcmen“ seit Jahren politisch bekämpfen, in der Kneipe, um Flugblätter zu verteilen und für die streikenden Lederarbeiter in der Türkei Geld zu sammeln. Da das Flugblatt auch von einer PKK–Organisation unterzeichnet war - eine Gruppe, die in dem dringenden Verdacht steht, vor zwei Jahren ein „Göcmen“–Mitglied erschossen zu haben - weigerten die Göcmen–Leute sich, dieses Flugblatt anzunehmen. Daraufhin zogen die Flugblattverteiler von dannen, um zu fortgeschrittener Stunde mit erheblicher Verstärkung wieder aufzutauchen. Nach Darstellung von betroffenen Göcmen–Mitgliedern hätten sie die Aufforderung, die Kneipe wieder zu verlassen, mit einem Knüppelschlag auf den Kopf einer Frau beantwortet, wor aus sich im Handumdrehen eine schwere Auseinandersetzung entwickelte. Mitglieder von Dev–Genc behaupten dagegen, sie seien beim zweiten Betreten der Kneipe angegriffen worden. Im Verlauf der Auseinandersetzung fielen dann Schüsse, durch die Aydin Erol tödlich verletzt wurde. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft seien insgesamt acht Schüsse gefallen. Auf dem Boden der Kneipe seien sieben Schußspuren nachzuweisen. Die Verhaftung von Yilmaz U. geht auf die Aussage eines Dev–Genc Mitgliedes zurück, der Yilmaz U. mit einer Waffe in der Hand gesehen haben will. Die Staatsanwaltschaft leitet daraus die Version ab, Yilmaz U. habe im Getümmel irrtümlich seinen Freund Aydin Erol erschossen. Der Haftbefehl wurde deshalb vor allem mit „Verdunkelungsgefahr“ begründet. Zur Zeit ist vor allem Göcmen darum bemüht, den Konflikt zu deeskalieren. In einer gemeinsam mit anderen linken türkischen Gruppen verfassten Erklärung rufen sie dazu auf, politische Konflikte nicht mit Gewalt auszutragen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund brisant, daß die Hamburger Polizei nach früheren gewalttätigen Angriffen auf linke türkische Organisationen, die wahrscheinlich auf das Konto der PKK gingen, die gesamte linke türkische Szene als gewalttätig zu diffamieren suchte und damit die politisch Arbeit der Gruppen schwer behinderte.
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