Blutige Unruhen in der Provinz Natal

■ Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Zulu–Chefs Buthelezi und Mitgliedern der Oppositionspartei UDF im südafrikanischen Natal haben über 100 Todesopfer gefordert

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - Der zehnjährige Skhumbuzo Shezi und sein achtjähriger Bruder Bongani waren letzten Mittwoch abend alleine zu Hause, als plötzlich fünf Männer in das Haus in dem schwarzen Wohngebiet Esibodeni bei Pietermaritzburg stürmten. Mit Macheten gingen sie auf die Kinder los. Bongani konnte entkommen. Skhumbuzos Leiche wurde am nächsten Tag von der Polizei in einem Graben hinter dem Haus gefunden. Sein Kopf war abgetrennt worden. Mehr als 100 Todesopfer haben die blutigen Kämpfe zwischen jugendlichen Unterstützern der konservativen Inkatha–Organisation von Zulu–Chef Mangosuthu Buthelezi und Anhängern des Oppostionsbündnisses Vereinigte Demokratische Front (UDF) in der südafrikanischen Provinz Natal seit Anfang des Jahres gefordert. Allein in den letzten drei Wochen sind mindestens 52 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte von Flüchtlingen, darunter auch die Eltern von Bongani und Skhumbuzo, haben die Gegend aus Angst vor Verfolgung verlassen. Mehr als 300 Verhaftungen und auch die mit Hubschraubern ausgerüsteten Polizeiverstärkungen konnten die Kämpfe bisher nicht unterdrücken. Die Führer der rivalisierenden Organisationen können ihre Anhänger inzwischen nicht mehr kontrollieren. Die Situation ist inzwischen so ernst, daß beide Seiten bemüht sind, neutrale Vermittler zu finden. UDF und Inkatha machen sich gegenseitig für das Blutvergießen verantwortlich. Neu an den jüngsten Auseinandersetzungen ist, daß sich offenbar auch Polizisten und Gefängniswärter auf Seiten der UDF an den Kämpfen beteiligt haben. Das wurde erstmals bekannt, nachdem vor knapp drei Wochen drei Polizisten für die Beteiligung an der Ermordung von 13 Mitgliedern der Inkatha–Jugendorganisation verhaftet wurden. Inkatha und UDF haben die schwarzen Wohngebiete um Pietermaritzburg, der zweitgrößten Stadt Natals, in den letzten Wochen in Machtgebiete aufgeteilt. Anhänger der jeweiligen Gegenseite, die sich in feindliches Gebiet begeben, müssen mit dem Tod rechnen. In wechselseitigen Vergeltungsfeldzügen werden Häuser zerstört und Autos verbrannt. „Wir hatten keine Kämpfe Schwarzer gegen Schwarze, bevor die UDF gegründet wurde“, sagte Inkatha–Generalsekretär Oscar Dhlomo am Montag. „Es sieht so aus, als ob die UDF das Prinzip der politischen Koexistenz nicht unterstützten will.“ Tatsächlich ist die UDF, das größte Oppositionsbündnis des Landes, seit ihrer Gründung 1983 die einzige Organisation, die in Natal ernsthaft mit Inkatha konkurriert. Mit mehr als einer Million Mitgliedern ist Inkatha, die „Kulturorganisation der Zulus“, in Natal stark vertreten. Die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung der Provinz Natal gehört dem Zulu–Stamm an. Buthelezi und seine Organisation sind mit ihrer entschiedenen Ablehnung wirtschaftlicher Sanktionen gegen Südafrika, ihrer Unterstützung der freien Marktwirtschaft sowie der Rassentrennungspolitik bei konservativen Gruppen auch in der Bundesrepublik besonders beliebt. Die UDF wiederum steht dem verbotenen Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) nahe. Inkatha kontrolliert den größten Teil Natals, vor allem die schwarzen Wohngebiete am Rande der Hafenstadt Durban, die als Teil von KwaZulu verwaltet werden, doch hat er in der Gegend um Pietermaritzburg noch keine feste Machtbasis aufbauen können. Deshalb kommt es hier wiederholt zu besonders blutigen Auseinandersetzungen. Nun wird versucht, einen neutralen Vermittler zu finden. Prominente Geistliche und die Handelskammer von Pietermaritzburg sind für diese Rolle in Erwägung gezogen worden. „Wir wollen keine Friedensintiativen von oben“, sagt dazu ein Mitlied der „Skorpione“. „Das Volk muß entscheiden.“ Darauf antwortet Dhlomo: „Sie sollten zuerst mit dem Morden aufhören, bevor sie mit der Bevölkerung sprechen.“