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Journalistenschelte in Kiel

■ Regierungspressestelle übt Nachzensur an der Barschel–Pfeiffer–Berichterstattung

Kiel (taz) - Uwe Barschel war gerade vier Stunden unter der Erde, da tauchten in Kiel auf der Mitgliederversammlung der Parlamentsjournalisten haarsträubende Beweise für Nachzensur der Funkberichterstattung zu landespolitischen Themen durch die Regierungspressestelle auf. Tag für Tag listet dieser bislang unbekannte „Medienreport II“, der im Auftrag der schleswig–holsteinischen Landesregierung von dem „Medienbüro Meschke“ erstellt wird, Sendungen auf und kommentiert die Kritik, die sich Journalisten an der Landesregierung erlauben. Der stellvertretende Regierungssprecher Klaus Seelig erklärte, dieser Medienreport werde bereits seit Stoltenbergs Zeiten zusammengestellt. Die wertende Kommentierung gebe es jedoch erst seit dem Tod des früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Zum NDR–Landesprogramm schreibt der „Medienreport vom 26.10.: Während „Peter Matthes .. weitgehend nüchtern und sachlich ... berichtet und auf Widersprüche in Pfeiffers Darstellungen hinweist“, ist man mit Marlies Fertmanns Arbeit unzufrieden: „Unvollständig“ sei ihre Berichterstattung und außerdem „geht sie auf eine weitere Verquickung von Partei und Regierung ein“ (Regierungsdirektor Jürgen Lambrecht aus der Staatskanzlei ist als Autor des CDU–Pamphlets „Betrifft Engholm“ entlarvt worden). Matthes gilt als CDU– nah, Fertmann war früher in der SPD–Pressestelle. „Den kritischsten Beitrag“ laut Medienreport lieferte am vergangenen Freitag Joachim Wagners Kommentar in den TV–Tagesthemen und beim Kieler ZDF–Korrespondenten Kürtz mißfällt der Regierung die spöttische Frage: „Wer will schon nach Schleswig–Holstein?“. „Das sonst eher oppositionsfreundliche“ Extra 3 (TV–NDR3) berichtete „erstaunlicherweise ... sehr detailliert und recht kritisch“ über die Behauptungen der SPD, von den Pfeiffer–Aktivitäten wenig gewußt zu haben. Aber leider: „In derselben Sendung wird auch ein sarkastischer Beitrag“ über diejenigen Personen ausgestrahlt, die eine Belohnung zur Aufklärung der Todesumstände ausgesetzt haben. In der zweiten bekanntgewordenen Ausgabe des Nachzensur–Reports (über den 26. Oktober) klagt die Pressestelle, daß die „Berichterstattung das übliche Maß“ zeigt, „obwohl versichert worden ist, innezuhalten“. Die „eklatanteste Abweichung vom Ruhegebot“ vor der Beisetzung Barschels habe sich das NDR 3–Fernsehen mit einer „äußerst polemischen“ Diskussion über die Rolle der Medien im Barschel–Pfeiffer–Skandal geleistet (siehe taz vom 28. Oktober). Dabei habe sich Klaus Bölling „mit ausgesprochenen Beschimpfungen seiner Kollegen aus dem Hause Springer hervorgetan“ und außerdem habe er Barschel unterstellt, Pfeiffer angestiftet zu haben. Jörg Feldner

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