piwik no script img

Das ist normal in Kiel: Ämtertausch

■ Niemand fand etwas dabei: Staatssekretär als Korrekturleser beim CDU–Wahlkampfblatt / Interims–Regierungschef Henning Schwarz will Ministerpräsidenten–Nachfolger von Uwe Barschel werden

Aus Kiel Jörg Feldner

Was ist in Kiel normal, worüber diskutiert man gar nicht erst? Normal ist, wenn der Pressereferent der Regierung, Reiner Pfeiffer, bei der morgendlichen Routinebesprechung seinem Chef - Regierungssprecher Behnke - und den Kollegen Ahrendsen und Seelig mitteilt, er sei jetzt Chef vom Dienst beim CDU–Wahlkampfblatt Schleswig–Holstein am Wochenende. Normal ist auch, wenn Staatssekretär Behnke dann das Korrekturlesen bei der CDU–Postille übernimmt. Behnkes Stellvertreter Ahrendsen bekommt Vorabdrucke zugestellt, über die er mit Barschel und Behnke wohl auch gesprochen hat (nur „Hand angelegt“ will er nicht haben). Normal ist auch, wenn Ahrendsen meint, der Staatsdiener Pfeiffer sei von CDU–Parteisprecher Günter Kohl zum Chef vom Dienst des Parteiblattes gemacht worden. Dieses Bild trauter Eintracht vermittelten gestern die sich hübsch ergänzenden Zeugenaussagen des abgetakelten Ahrendsen und des zum kommissarischen Regierungssprecher aufgestiegenen Klaus– Dieter Seelig. Einmütig ruft der Ausschuß nun nach Reiner Pfeiffer. Seinen Wunsch zur Gegenüberstellung mit Ahrendsen hält man für eine gute Chance, Pfeiffer wieder in den Zeugenstand zu kriegen. Ahrendsen gab sich kampflustig: „Hoffentlich kommt es bald dazu.“ Dabei hätte er wegen seiner großen Probleme mit der Wahrheit allen Grund zur Vorsicht. Erst gestern wollte Ahrendsen dem Ausschuß weismachen, er habe von Pfeiffers CDU–Zeitungsposten erst im September erfahren. Sein Ex–Untergebener Seelig korrigierte ihn, es muß im Juni gewesen sein. Die meisten der für Donnerstag vor den Untersuchungsausschuß geladenen Herren aus dem Springer–Konzern - aus dem Pfeiffer in die Landesregierung vermittelt wurde - wollen ihre Aussage verweigern. Sie berufen sich dabei auf die sogenannte „Celler–Loch– Entscheidung“ des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, wonach nur „Landeskinder“ vor einem Landtagsuntersuchungsausschuß zu erscheinen haben. Dieses Urteil hatte verhindern sollen, daß die Beteiligung von Bundesstellen am Bombenanschlag auf das Celler Gefängnis, mit der eine RAF– Aktion vorgetäuscht werden sollte, aufgeklärt werden konnte. Nach dem Verzicht des Kieler CDU–Fraktionsvorsitzenden Klaus Kribben ist jetzt der amtierende Ministerpräsident Henning Schwarz bereit, die offizielle Nachfolge Uwe Barschels als Regierungschef in Schleswig–Holstein anzutreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen