I N T E R V I E W Überraschung für Katharina de Fries

■ Die deutsche Schriftstellerin ist wieder frei / Ein Gespräch nach der Entscheidung

taz: Hast du diesen Ausgang erwartet? Katharina de Fries: Nein. Ich habe nicht erwartet, daß die Auslieferung zurückgewiesen wird, weil dies hieß, die deutsche Justiz in Frage zu stellen. Angesichts der Auslieferungspraxis in Frankreich habe ich nicht glauben können, daß die jetzige Entscheidung politisch opportun wäre. Wie erklärst du dir, daß du heute frei bist? Die Deutschen hatten schon bei ihrem ersten Auslieferungsantrag 1981 die Anklage wegen Gründung einer neuen terroristischen Vereinigung, also nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuches, verheimlicht. Damals konnte jedoch das Gericht, das 1981 meine Auslieferung befürwortete, dieses Anklagedokument nicht in Betracht ziehen, da die europäische Auslieferungskonvention von Frankreich nicht unterzeichnet war und dieses Dokument nicht Bestandteil des Auslieferungsantrags war. Diesmal war die Anklage wegen §129 wieder nicht beigefügt, aber die europäische Konvention unterzeichnet. Das Gericht hatte damit die Möglichkeit, selbständig zu überprüfen, ob sich hinter dem Auslieferungsantrag politische Motive verbergen. Und das hat das Gericht sehr korrekt getan. Das Auslieferungverfahren hat in der Öffentlichkeit, besonders bei dir Zuhause in der Normandie, Proteste ausgelöst. Wie hast du das erlebt? Ich war total überrascht und hingerissen von der Bewegung, die sich in meinem Dorf gebildet hat. Die Menschen, die eher zurückhaltend sind, haben sich mit einer derartigen Kraft für mich eingesetzt, daß vielleicht auch beim Gericht die Jahre, die ich hier verlebt habe, in Betracht gezogen wurden. Ist deine Situation nun ein für allemal juristisch geregelt? Juristisch glaube ich das. Politisch kann ich immer noch eine Ausweisung erwarten. Ich werde deshalb in nächster Zeit sehr vorsichtig sein. Interview: Georg Blume