: Stahl dem Wettbewerb überlassen
■ Sachverständige empfehlen das Auslaufen weiterer Produktionsbeschränkungen bei der Stahlproduktion / Stahlindustrie offenbar nicht bereit zu „Kapazitätsstillegungen“
Straßburg (dpa/vwd) - Die EG– Stahlproduktion sollte nach Ansicht von drei unabhängigen Sachverständigen dem freien Wettbewerb überlassen werden. In ihrem Bericht über die Umstrukturierung der europäischen Stahlindustrie kommen die sogenannten „Drei Weisen“ zu dem Schluß, daß das noch bis Ende dieses Jahres bestehende System fester Produktionsbeschränkungen auch bei Flacherzeugnissen und schwerem Formstahl auslaufen sollte. „Wir haben keine Rechtsgrundlage mehr, den Normalzustand des Marktes nicht wieder einzuführen“, sagte der deutsche Industriekommissar Karl–Heinz Narjes am Mittwoch in Straßburg. Die EG–Kommission hatte eine Verlängerung des Quotenregimes von verbindlichen Unternehmenszusagen für Stillegungen von Produktionskapazitäten abhängig gemacht. „Die Stahlindustrie ist gegenwärtig nicht bereit, entsprechende Verpflichtungen zu übernehmen“, sagte Narjes. „Der Bericht enthält weder direkte noch indirekte Hinweise auf mögliche Schließungen“, fügte er hinzu. Die Industrie begründe ihre Ablehnung freiwilliger Kapazitätskürzungen damit, daß die Absatzlage zur Zeit relativ günstig sei. Die Unternehmen seien wie die „Drei Weisen“ der Ansicht, daß eine zur Verlängerung des Quotensystems erforderliche „offensichtliche Krise“ nicht mehr bestehe. Die „Drei Weisen“, unter ihnen der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs, waren nach einem Beschluß des EG–Ministerrats im Oktober berufen worden, bei der Stahlindustrie die Bereitschaft zu Kapazitätsstillegungen zu sondieren. Nach Angaben von Narjes kamen die Sachverständigen dabei zu dem Schluß, daß es im Bereich Warmbreitband und schwere Profile einen Kapazitätsüberhang von „mindestens 16 Millionen Tonnen“ gebe. Damit sei auch der Vorwurf gegen die EG–Kommission widerlegt, sie habe mit ihrer Überhangsschätzung von 20 Millionen Tonnen „Münchhausen– Zahlen“ in die Welt gesetzt. Nach dieser Einschätzung gibt es in der europäischen Stahlindustrie insgesamt 30 Millionen Tonnen Überkapazität.
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