Gorias Versprechen stimmen skeptisch

■ Alt–neue Regierung Goria legt undurchsichtiges Regierungsprogramm vor / Erste Maßnahmen gemäß den Referenden vom 9. November? / Italiens Umweltschützer und Gewerkschaften sind im Alarmzustand

Aus Rom Werner Raith

Mit einem gegenüber dem alten Programm um vier „neuralgische“ Punkte erweiterten Absichtskatalog präsentiert sich am heutigen Samstag die zuerst zurück– und inzwischen wieder ins Amt getretene Regierung Goria (Christ– und Sozialdemokraten, Sozialisten, Republikaner, Liberale) dem Parlament: die vier Punkte sind der Haushalt 1988 (über den es zur Krise gekommen war), die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Richter (notwendig aufgrund des durch Referendum abgeschafften bisherigen Gesetzes), die Erarbeitung eines neuen Energieplans (ebenfalls aufgrund der Referenden, die dem Bau von Atomkraftwerken den Boden entzogen hatten) und eine gesetzlich Regelung des Streikrechts. Während Haushalt und zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Juristen bereits im Vorfeld (letzteres auch mit Teilen der Opposition) abgeklärt wurden, haben einzelne Formulierungen Gorias zur Energie– und zur Streikfrage Umweltschützer und Gewerkschaften in höchste Alarmbereitschaft versetzt. So will Goria „die durch die Volksabstimmung bestimmte Begrenzung des Einsatzes von Nuklearenergie respektieren“ - doch eine Abschaltung der drei vorhandenen (nicht vom Referendum berührten) Meiler will er erst „prüfen“; nach Ansicht der Grünen läßt sich Goria gleich mehrere Löcher für das Weiterwursteln im Nuklearsektor offen. Noch erregter geben sich die Gewerkschaften - nachdem sie verschiedene Male eine „Selbstregulierung“ des Streikrechts angeboten haben und eine Gesetzesinitiative in der vorangegangenen Regierung nicht vorlag, sehen sie in der „Erhebung der Sache zum regierungsamtlichen Programmpunkt“ einen „massiven Angriff auf das verfassungsmäßig garantierte Streikrecht“. Gefördert werden diese Besorgnisse noch durch einen bereits erfolgten Eingriff, wie es ihn bisher im Nachkriegsitalien noch nie gegeben hat: der Polizeipräsident von Turin hat einen für Freitag angekündigten Tram– und Busstreik mit der Zwangsverpflichtung von mehr als 900 Fahrern verhindert. Ein Thema, das auch den nun jedenfalls stattfindenden Generalstreik vom kommenden Mittwoch bestimmen wird.