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Ein Barschel für die Armen und Beladenen

■ Pfeiffer gab dem ehemaligen Ministerpräsidenten Barschel schon früh Public–Relation–Tips: Barschel als Todesengel zu krebskranken Kindern / Jugendliche, Behinderte, Frauen, Naturschützer: Alle wurden als Barschel–Kulisse zur Image–Pflege mißbraucht

Aus Kiel Jörg Feldner

Mit 32 durchweg zynischen, teilweise widerwärtigen „publicityträchtigen“ Vorschlägen hat Barschels ehemaliger Medienreferent seinem Chef schon wenige Tage nach seinem Dienstantritt im Januar unter die Arme gegriffen. Der Public–Relation–Katalog war verschollen und ist erst Anfang der Woche wieder aufgetaucht: natürlich in der Staatskanzlei. „Kinder, Frauen/Familie, Tiere, Jugendliche, Alte/Arme und Sport“ hielt Pfeiffer für würdig, vom Licht des „MP“ erleuchtet zu werden. Die Liste wird angeführt vom Tip, „MP bezahlt ganz oder teilweise teure Operationen für armes Kind, das sonst sterben müßte“, und endet mit „MP rudert in einem Vierer mit Steuermann oder im Einer bei einer Promotion–Regatta“. Für alle Vorschläge galt, daß „selbstverständlich (...) der Einsatz von Kameraleuten fest eingeplant“ war. Barschel sollte zu Kinderfesten in den Landtagsgarten einladen, er sollte Kinderkliniken „insbesondere mit unheilbaren kleinen Patienten“ heimsuchen, er sollte behinderte Kinder zu Saft und Kuchen ins Landeshaus einladen. Zwei „auszusuchende Kinder“ sollten nach einem Tag mit Barschel „öffentlich erklären, wie der MP schuften muß“. Barschel sollte das „schönste Tierfoto“ suchen und auszeichnen, eine „Lanze für Tierfriedhöfe brechen“, ein krankes Reh oder einen Hund bei sich zu Hause gesundpflegen lassen. „Alte/Arme“ sollten auf Kosten des „MP“ Kaffeefahrten machen. Arbeitslose Jugendliche sollten beim Deichbau den Weg in die Zukunft gewiesen bekommen. Und Teilnahme an Volksläufen und Wandertagen, „wobei er natürlich immer in der ersten Reihe steht“. Barschel war weder Mensch– noch Tierfreund, sagen die, die ihn persönlich kannten. Er hat kein Reh gesundgepflegt, sondern nur auf den Ameisenhaufen in seinem Garten verwiesen. Er hat für kein todkrankes Kind den Chirurgen bezahlt, denn das tut die Krankenkasse. Auch das vorgeschlagene Streitgespräch mit Punks und Skinheads hat Barschel umgangen, weil man in Schleswig–Holstein gegen Menschen, die saufenderweise eine „nicht genehmigte Sondernutzung öffentlicher Straßen“ (CDU im Kieler Stadtparlament) treiben, mit der Polizei vorgeht und nicht mit Gesprächen. Barschel hat Mädchentreffs besucht und sozialpädagogische Beratungsstellen, er hat geistig behinderte Kinder als Kulisse für die Presse benutzt. Immer flammte sein Interesse auf, sobald die Presse eintraf, und erlosch mit dem letzten Blitzlicht. Neben Pfeiffers völlig skurrilen Vorschlägen hat Barschel auch diejenigen nicht befolgt, bei denen ihm etwas hätte zustoßen können. Er fuhr kein „Motorrad–, Rad– oder Tourenwagenrennen“ und er sprang auch nicht mit dem Fallschirm ab, obwohl das „von der Image–Bildung her bei einem Großteil der Wählerschaft nicht zu unterschätzen“ wäre, schrieb der PR–Tipgeber.

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