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Sozialminister will kein AIDS–Haus

■ Die von der Stadt Frankfurt geplante Absonderung HIV–Infizierter haben bei Wiesbadens Sozialminister Trageser „Verwunderung“ ausgelöst / Spezialistin Helm beklagt Maßnahmen gegen Beschaffungsprostitution

Von Manfred Kriener

Die Pläne der Stadt Frankfurt, „unbelehrbare“ HIV–infizierte Prostituierte und Strichjungen gemäß dem Seuchengesetz in einem Spezialhaus abzusondern, haben beim hessischen Sozialminister Trageser (CDU) „Verwunderung“ ausgelöst. Das Ministerium lehne solche Sondereinrichtungen ab, Prävention und Aufklärung müßten Vorrang haben, sagte Ministeriumssprecher Berlinghoff. Das Sozialministerium war erst aus der Presse über die Pläne informiert worden. Die Stadt sei aber um ein Einvernehmen bemüht und wolle ihr Vorhaben mit dem Ministerium absprechen. Die Frankfurter Ärztin und AIDS–Spezialistin Prof. Helm forderte gegenüber der taz, daß als Maßnahmen gegen die Not der Beschaffungsprostitution mehrere Häuser für Prostituierte eingerichtet werden müßten. Dies dürfe keine Gettoisierung bedeuten. Es könne aber nicht hingenommen werden, daß HIV–infizierte Drogenabhängige „von der Station direkt auf den Strich“ gingen, wo sie durch ungeschützten Geschlechtsverkehr die Infektion weiterverbreiten würden. Die AIDS–Message habe noch nicht alle Freier erreicht. Sehr viele ausländische Kunden mit niedrigem Bildungsniveau seien durch Aufklärung nicht anzusprechen und würden sich nicht schützen. Helm forderte eine großzügige Bestückung der Häuser mit So zialarbeitern und eine ausreichende materielle und medikamentöse Versorgung der drogenabhängigen Prostituierten. Sollten sie dann weiterhin auf den Strich gehen, sei dies ein juristischer Tatbestand. Die deutsche AIDS–Hilfe hat die Frankfurter Pläne verurteilt. Sie seien für die Bekämpfung von AIDS untauglich und würden die Prävention unterlaufen, sagte Sprecher Eberhard Zastrau. Den betroffenen Frankfurter Prostituierten seien keine gangbaren Umschulungs– und Ausstiegsangebote gemacht worden. „Angebote wie hier in Berlin sind in Frankfurt unbekannt“, so Zastrau, die Frauen seien stattdessen mehrfach verwarnt worden und man habe ihnen Entzugstherapien nach altem Muster angeboten.Gegen eine „Internierung“ von infizierten Prostituierten wandte sich auch der frühere Sozialminister Clauss (SPD). Die FDP–Abgeordnete Babel sprach von einer „Nacht– und Nebelaktion“ der Stadt Frankfurt, von der sie sich überrumpelt fühle. Irmela Wiemann vom Bundesvorstand der Grünen warnte vor dem „Marsch in den AIDS–Staat“. Die Stadt Frankfurt lehnt es ab, ein Haus für die Beratung und Betreuung von AIDS–Kranken und HIV–Positiven einzurichten, wie es die AIDS–Hilfe Frankfurt gefordert hatte. Dies sei finanziell nicht machbar. Ein geeignetes Haus, das in der Innenstadt Frankfurts bereits gefunden worden war, hätte 3,5 Mio DM gekostet.

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