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D O K U M E N T A T I O N „In der Colonia brachte man mir Verhörmethoden bei“

■ Spätestens 1977 hätte die deutsche Botschaft wissen müssen, was sich in der Colonia Dignidad abspielt: Der ehemalige Geheimdienstagent Juan Rene Munoz Alarcon machte seine Aussage im Solidaritätsvikariat der katholischen Kirche in Santiago. Vier Monate später wurde er ermordet aufgefunden.

(...) Sie schickten mich zur Colonia Dignidad. Dort war ein Ausbildungszentrum des nationalen Geheimdienstes, geleitet von Deutschen, die heute auch die chilenische Staatsangehörigkeit besitzen. Es sind alte Deutsche, die nach dem Krieg herkamen. (...) Dort gibt es ein Krankenhaus, das all die fortschrittlichen Einrichtungen besitzt wie die Krankenhäuser in Santiago. Es gibt dort Ambulanzflugzeuge, Postflugzeuge und unterirdische Gefängnisse. Dort brachte man mir bei, wie man Leute verhört, und es wurden Schulungen durchgeführt, die uns in den Arbeitsweisen der Geheimdienste unterrichteten. Man erklärte mir, daß ich mich wieder in meine frühere Partei, die sich jetzt im Untergrund befand, einschleichen sollte (Munoz war bis 1973 führendes Mitglied der Sozialistischen Partei Chiles gewesen, d.Red). Unglücklicherweise, oder glücklicherweise, war dies nicht möglich, da ich bei allen viel zu bekannt war. Alle Welt wußte, daß ich ausgetreten war. Daraufhin schulte man mich, Leute zu verfolgen, zu verhören, zu foltern und zu ermorden. (...) Ich war daran beteiligt, einige Leute „verschwinden zu lassen“, die sich in der Colonia Dignidad befinden. In diesem Moment befinden sich 112 (dieser) Personen in der Colonia Dignidad. Einige frühere Führer der verschiedenen Parteien der Unidad Popular. In Santiago, in Penalolen und in Colina befindet sich der Rest. Es sind etwa 145. Alle anderen verschwundenen Gefangenen sind tot. Sie wurden niedergemacht in Peldehue durch den Hinrichtungsapparat der DINA, der von Fernando Cru zar kommandiert wird. Das Hauptquartier liegt an der Straße Ahumada 312, in der 6. Etage. Es ist nach außen ein An– und Verkauf für Gold. 90 Prozent der An– und Verkaufläden für Gold gehören der DINA. Es droht mir der Tod, und ich weiß, daß ich über kurz oder lang sterben werden. (...) Ich möchte sicherheitshalber wiederholen, daß diese Erklärung zum Wohl aller derer benutzt werden soll, für deren Leiden ich verantwortlich bin, direkt oder indirekt. (...) Ich möchte außerdem darauf bestehen, beeiden wenn nötig, daß ein Teil der Gefangenen noch lebt, in sehr schlechten Bedingungen, viele von ihnen am Rande des Wahnsinns, als Folge der sehr harten Behandlung, die sie erfuhren. (...) Es gibt eine gelbe Zeitung, mit meiner eigenen Handschrift versehen, mit Zahlen und Nummern. Ich habe darin markiert, wer lebt und wer tot ist. Die leben, sind nicht mehr als 150. (...) Diese Leute haben bis jetzt keine Sicherheit, lebend herauszukommen, ich glaube nicht, daß sie wirklich lebend herauskommen werden, denn bis jetzt erkennt man ihre Inhaftierung nicht an, da sie im Untergrund wichtige Leute waren. Man läßt sie momentan noch am Leben, um durch sie auch den Rest noch zum Schweigen zu bringen. Ich wiederhole die Orte, in denen sie sich befinden: Colonia Dignidad, Colina und Penalolen. An keinem anderen Ort wird man verschwundene Gefangene finden. Andere politische Gefangene kann man an vielen Orten finden, aber die „Verschwundenen“ sind nur in den drei vorgenannten Orten.

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