Die schmutzige Wäsche des Präsidenten

■ In Washington diskutierten linke Journalisten und Experten über den Iran–Contra–Report / Rätsel um gekidnappten CIA–Agenten im Iran

Aus Washington Stefan Schaaf

Für Reagan scheint alles erledigt: Der Iran–Contra–Ausschuß habe „gekreißt und eine Maus hervorgebracht“. Doch erweckten die zusammengekniffenen Lippen, die der Präsident bei der Pressekonferenz vergangenen Montag machte, den Eindruck, daß ihm die Schlagzeilen der Vorwoche noch im Magen lagen. „Der Iran–Contra–Report sagt, der Präsident trage die letztliche Verantwortung für die Vergehen“, hatte die New York Times getitelt. Eine „Maus“ kann man das 700 Seiten schwere Werk im Format eines Versandhauskatalogs, das seit Freitag der Öffentlichkeit vorliegt, schwerlich nennen. Hoffen kann die Reagan–Regierung lediglich, daß der Umfang des Abschlußberichts der beiden Kongreßausschüsse möglichst viele Neugierige abschreckt. Minutiös wird darin nachgezeichnet, wie im Irangate–Skandal entscheidende Bereiche der US–Außenpolitik den zuständigen Ministerien entwunden und „privatisiert“ wurden, wie Regierungsmitglieder, der Kongreß und die Öffentlichkeit belogen und die gesetzlichen Bestimmungen aus den Angeln gehoben wurden. Die Ideologie der Geheimoperationen Doch der Kongreßbericht enthält noch lange nicht die ganze Wahrheit. Darin stimmten die drei Teilnehmer einer Diskussion über den Report überein, zu der das renommierte linke „Institute for Policy Studies“ eingeladen hatte. Peter Kornbluh vom „National Security Archive“, einem Reagan–kritischen Dokumentationszentrum, vermißte, daß der Report sich nicht mit den ideologischen Grundlagen des Denkens befasse, welches dem Skandal zugrunde liege. „Iran/Contra ist die logische Schlußfolgerung daraus, das Geschehene war doch nur Business as usual für den Apparat des ständig um die Nationale Sicherheit fürchtenden Staats“, meinte Kornbluh und fügte hinzu, daß der Report mit seinen Details über geheime Geldübergaben und gefälschte Identitäten eher Grundlage eines dramatischen Hollywoodfilms sein könnte. Die wichtigste Frage werde in ihm nicht gestellt, nämlich, ob Geheimoperationen wie die von Oliver North oder von Caseys CIA ausgeführten „überhaupt mit unseren politischen Werten vereinbar seien“. Auf diesem Punkt beharrte auch Marcus Raskin, Mitarbeiter und Dozent am „Institute for Policy Studies“. „Wir benötigen eine öffentliche Überprüfung und Debatte über die Geheimoperationen der letzten vierzig Jahre; wir müssen ermitteln, wie durch sie die Politik des Staates verzerrt worden ist.“ Raskin rief in Erinnerung, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Debatte innerhalb des politischen Establishments der USA gab, ob man einen Geheimdienst und „Covert Operations“ überhaupt benötige. Das State Department habe sich einer solchen Idee mit dem Argument widersetzt, daß damit eine „ehrliche Diplomatie“ verhindert und die USA in kriminellen Aktivitäten“ verwickelt werde. „Diese Argumente waren richtig!“, betonte Raskin. Der Iran–Contra– Skandal habe jedoch eine neue Qualität staatlicher Geheimope rationen bedeutet. Bisher waren „Covert Operations“ durch ein ausgeklügeltes System schriftlicher Genehmigungen, die der Präsident unterzeichnen mußte, und durch die Informierung und Einbeziehung des Kongresses in gewisser Weise legitimiert. Selbst diese interne Legitimation wurde durch North und Poindexters Vorgehen durchbrochen. North hat in seiner Anhörung von CIA–Chef Caseys Wunsch berichtet, eine selbstfinanzierte, stets einsatzbereite Struktur für Geheimoperationen zur Verfügung zu haben, die keinerlei öffentlicher oder parlamentarischer Überwachung mehr unterläge. Prozeß gegen Contrahelfer? Sarah Nelson vom „Christic Institute“ vertrat den Standpunkt, daß Caseys Wunschvorstellung bereits seit langem Realität sei. Das „Christic Institute“, ein von Kirchen und mit privaten Mitteln finanziertes Anwaltskollektiv in Washington, das durch den Rechtsstreit um den Tod Karen Silkwoods bekannt geworden ist, bereitet gegenwärtig einen Prozeß gegen 29 Personen vor, denen die Unterstützung der Contra mit illegalen Mitteln, Mord, Waffen– und Drogenschmuggel vorgeworfen wird. Dazu gehören ehemalige CIA–Angehörige, prominente Contra–Führer und langjährige Waffenschieber. Einige der Beschuldigten saßen im Sommer auf der Zeugenbank des Irangate–Komitees: Richard Secord, Albert Hakim, Adolfo Calero, John Singlaub oder North Gehilfe Robert Owen.Wie die Anklage zeigen will, haben einige Mitglieder dieses „Teams“ seit über zwanzig Jahren die schmutzige Arbeit verschiedener US–Regierungen erledigt, in Südostasien, im Mittleren Osten und in Latein– und Zentralamerika. „Der Irangate–Ausschuß hat den Fehler gemacht“, sagte Sarah Nelson, „sich nur auf die Profite zu konzentrieren, die im Lauf der Affäre angefallen sind. Gerade der Auftritt North hat aber gezeigt, daß dies die falsche Spur war, vor allem ihm ging es nicht um persönliche Bereicherung, sondern um die Umsetzung einer Ideologie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.“ Sie glaubt außerdem, daß es den Regierungsbeamten zu Beginn der Kontaktaufnahme mit dem Iran nicht so sehr um alle im Libanon festgehaltenen Geiseln als um eine bestimmte ging: um William Buckley, den Chef der globalen Antiterror–Operationen der CIA. Buckley hat unter Folter den Iranern ein 400–seitiges Geständnis abgegeben, dessen Inhalt die Administration wohl bis heute nicht kennt. Für die Zukunft derartiger Aktivitäten sei es für die CIA aber unabdingbar zu wissen, was Buckley preisgegeben habe. Mit diesem Geständnis habe der Iran selbst heute noch ein erstklassiges Druckmittel in der Hand. Enttäuscht zeigten sich alle drei von den Empfehlungen, die das Komitee zum Schluß des Reports aussprach. Sarah Nelson meinte, man könne diese Angelegenheit nicht dem Kongreß überlassen, der das Problem nicht lösen werde. Es sei viel Aufklärungsarbeit zu leisten, um eine Welle des Protests und des öffentlichen Drucks auf die Institutionen zu erzeugen. Nur dann könne dieser „Tumor in der politischen Struktur“ beseitigt werden.