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Spaltet sich die jugoslawische KP?

■ Hardliner gewinnen die Oberhand / Der prominente Albaner Fadel Hoyha wurde aus den Reihen der Kommunisten ausgeschlossen / Serbischer Nationalismus verschärft die Probleme des Vielvölkerstaates

Aus Belgrad Roland Hofwiler

Anders als in der Sowjetunion gewinnen in Jugoslawien mehr und mehr die Hardliner unter den Politikern die Oberhand. Zudem macht sich in den höchsten Parteirängen ein agressiver Nationalismus breit, der für den Vielvölker staat ein ernstes Problem darstellt. Beides trat auf einer Dienstag abend zu Ende gegangenen Sitzung des Zentralkomitees offen zutage: Der angesehene Alt–Kommunist, der Albaner Fadel Hoyha, einst neben Tito stellvertretender Staatspräsident, wurde nicht nur aus dem ZK, sondern zugleich aus den Reihen des Bundes der Kommunisten ausgeschlossen. Einziger Grund: Er hatte sich zu sehr für die albanische Minderheit innerhalb der Förderation eingesetzt und somit den Groll der Parteigenossen auf sich gezogen. Als weiteres Opfer entmachtete man den Bosnier Hamdija Pozderao, Mitglied des Staatspräsidiums, einer der Hautpverantwortlichen in dem Finanzskandal um den Lebensmittelriesen Agro– Kommert, der Jugoslawien zu seinen 20 Milliarden Auslandsschulden nahezu eine weitere Milliarde durch Betrug und Mißmanagement bescherte. Der Sturz wird in allen Lagern zwar befürwortet, Gerangel gibt es jedoch aum die Nachfolge. Was gestern nicht aus den Belgrader Zeitungen zu entnehmen war, jedoch ebenfalls für Zündstoff auf der obersten Parteisitzung sorgte, ist die Entmachtung Iwan Stambolic. Worüber in Jugoslawien nur gemunkelt wird, gilt für die Medien als sicher: Der Serbe Stambolic, als Konfliktvermittler zwischen rivalisierenden Parteifraktionen bekannt, soll entmachtet werden. Mit dieser Forderung trat Stambolic entschiedendster Widersacher Milan Milosevic auf. Für Milosevic, ebenfalls serbischer Spitzenfunktionär, vernachlässigte sein um einiges älterer Parteigenosse bei seinen Vermittlungen stets die nationalen Interessen des serbischen Volkes. „Die Fehler der Vergangenheit, die Zurücksetzung serbischer Interessen, müssen überwunden werden“, so Milosevic in einem Interview. Sein Vorschlag: auf die nationale Karte setzen und mit Intrigen die Widersacher auszuschalten. Es war Milosevic, der Fadel Hoyha mit Beschuldigungen wie, der Albaner habe im Zweiten Weltkrieg mit Faschisten kollaboriert und dies bis heute verschwiegen, in die Enge trieb. Obwohl Hoyha seine Vorwürfe bis heute abstreitet, konnte er seinen Kopf gegen die serbische Übermacht im ZK nicht retten.

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