Die Krise wartet auch auf das RWE

■ Spätestens Mitte der 90er Jahre spitzt sich die Konkurrenz zwischen Kohle und Atomkraft gefährlich zu / AKW–Ausstieg wird zwingend

Von Manfred Kriener

Berlin (taz) - Der größte privatwirtschaftliche Energieversorger Europas, das Rheinisch–Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) gerät in den 90er Jahren mit der Struktur seines Kraftwerk–Parks in erhebliche Nöte. Entlassungen im Braunkohle–Bergbau werden die Folge sein. Die Konkurrenz– Situation von Atom– und Kohle kraftwerken wird dann voll durchschlagen. Dieses Fazit darf man aus einer Untersuchung ziehen, die über den möglichen „Ausstieg des RWE aus der Atomenergie“ jetzt von der Forschungsstelle für Umweltpolitik der FU Berlin vorgelegt wurde. Die Studie wurde im Auftrag des Erftkreises, kommunaler Aktionär beim RWE, erarbeitet. Die Frage nach den Chancen des Ausstiegs wird von den FU– Forschern eindeutig bejaht. In fünf Szenarien mit unterschiedlichen Energieverbrauchs–Zuwächsen wird bis zum Jahr 2000 detailliert durchgerechnet, wie sich die Energie auf die unterschiedlichen Energieträger verteilt, wenn gleichzeitig Atomkraft abgeschaltet wird. Überraschend: Auch wenn das RWE die Energie–Einsparmöglichkeiten ignoriert, auch wenn es regenerative Energiequellen vernachlässigt, ist der Ausstieg zu bewerkstelligen. Das hat Gründe: Ein Viertel der Braunkohle– Kraftwerke des RWE ist vor 1959 in Betrieb gegangen und muß in den nächsten Jahren aus Altersschwäche stillgelegt werden. Auch Anfang der 60er Jahre wurde eine Reihe von Kraftwerk– Blöcken in Betrieb genommen, die spätestens in den 90ern fällig werden. Diese fahren im Vergleich zu modernen Kraftwerken mit einer niedrigeren Auslastung und einem deutlich schlechteren Wirkungsgrad. Wenn das RWE sie ersetzt, werden die neuen Kraftwerke mit der gleichen Menge Kohle erheblich mehr Energie erzeugen und sie werden eine stärkere Auslastung haben. Die Überkapazitäten werden wachsen. Wenn zugleich der Trend des leicht zurückgehenden Stromverbrauchs anhält, kommt das RWE in erhebliche Schwierigkeiten: Entweder im Bereich Kohle oder Atomstrom müßten Kapazitäten gekappt werden. Für die Braunkohle würde dies Entlassungen bei der RWE–Tochter Rheinbraun bedeuten. Aus dieser Situation ergibt sich geradezu ein Zwang zum Ausstieg aus der Atomenergie, um Arbeitsplätze zu erhalten. Die Prognos–AG hat in einer Studie für das NRW–Wirtschaftsministerium 135.000 Arbeitsplätze bis zum Jahr 2010 vom Atom–Ausstieg abhängig gemacht. Für das RWE bezifferte Lutz Mez von der FU–Forschungsstelle gestern die Zahl auf rund 40.000 bis 45.000. Der Ausstieg, so die Studie, sei keine technische, sondern eine politische Frage und: „Die Realisierung ist somit eine Machtfrage.“