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Garten betreten verboten - Gift!

■ Siedlung in Leverkusen mit Giften verseucht / Bewohner dürfen nicht mehr in den Garten Der Chemiekonzern Bayer hatte das Gelände bis etwa 1950 als Mülldeponie benutzt

Aus Köln Thomas Gesterkamp

Rund 800 Bewohner in Leverkusen–Disdorf dürfen die Gärten rund um ihre Häuser von sofort an nur noch auf befestigten Wegen und öffentlichen Straßen betreten. Diese Entscheidung gab am Dienstag die Leverkusener Umweltbehörde bekannt, nachdem Messungen hochgiftige Stoffe im Boden ergeben hatten. Das Erdreich enthält krebserregende Substanzen und Nervengifte, vor allem große Mengen an PCB, Benzol und organischen Chlorverbindungen. Das Wohngebiet unmittelbar am Rhein, im Süden vom Hauptwerk der Bayer AG begrenzt, wurde in den fünfziger Jahren auf dem Gelände einer Sondermüll– Deponie gebaut. Auf dieser „wilden Kippe“ lud der Chemieriese Industrieabfälle, die Stadt Leverkusen Hausmüll ab. Die jetzt vorgelegten Untersuchungen haben eindeutig Rückstände aus chemischer Produktion, vor allem aus der Farbenherstellung, nachgewiesen. Der Chemiegigant Bayer bestreitet nicht, daß er das Gelände bis etwa 1950 als Deponie genutzt hat. Dem Konzern könne aber nicht die volle Verantwortung für die verseuchten Böden angelastet werden. Die Firma Bayer will sich an der Sanierung finanziell beteiligen. Häuser sollen nicht abgerissen werden. Die Stadt plant, nach einer Prüfung durch die Technische Hochschule in Aachen, den verseuchten Boden eventuell abzutragen und anderswo zu deponieren am besten jenseits der Grenze, fällt nicht so auf! - d.K.. Bei den 800 Menschen, die in der Siedlung leben, handelt es sich fast ausschließlich um Bayer–Beschäftigte oder ehemalige Mitarbeiter des Konzerns, die mittlerweile in Rente gegangen sind. Außerdem liegt auf dem Gelände ein Asylantenheim. Etwa 90 Prozent der Häuser gehören der kommunalen „Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft“ (GSG). „Die Menschen hier haben sehr gelassen reagiert“, glaubt Roland Ellmann, der Pressesprecher der Stadt Leverkusen: „Die wissen seit 30 Jahren, daß sie hier auf der Kippe leben.“ Ellmann hält die Vergiftungsgefahr für „relativ gering“, weil „Erwachsene schließlich nicht mehr so im Matsch rumbuddeln wie Kleinkinder, schon gar nicht im Winter“. Dennoch will man in Disdorf in den nächsten Tagen mit der Aufstellung von Verbotsschildern beginnen. Sogar ein kommunaler „Aufpasser“ ist vorgesehen, der das Betreten des Rasens unterbinden soll. Bereits vor einem halben Jahr hatte die Leverkusener Umweltbehörde einem Teil der Siedlungsbewohner empfohlen, kein Gemüse aus ihrem Hausgarten mehr zu essen.

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