piwik no script img

Bank of Boston gefährdet das Schuldenmanagement

■ Großbank schreibt Lateinamerika–Kredite ab / Spalten sich US–Banken?

Berlin (taz) Einzelne US–amerikanische Banken wollen sich ganz offenbar aus dem Management der Drittwelt–Verschuldung verabschieden. Als erste Großbank des Landes will jetzt die Bank of Boston Corp. 200 Millionen Dollar ihrer Lateinamerika–Kredite in Höhe von insgesamt einer Milliarde Dollar abschreiben und die restlichen 800 Millionen derart klassifizieren, daß Zinseingänge in der Bilanz nur noch auftauchen, wenn sie tatsächlich eingehen (“Non–Accural–Status“). Damit sind die Außenstände an Lateinamerika für die Bank of Boston buchhalterisch nicht mehr existent. Sie wird daher auch keinerlei Interesse mehr haben, sich an neuer Kreditvergabe für Länder dieser Region zu beteiligen, um deren Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Bislang sind einige US–Banken lediglich dem Beispiel der Citi Bank gefolgt, die im Sommer drei Milliarden von ihren Lateinamerika–Krediten „wertberichtigte“, d.h. nicht abschrieb, sondern Geld auf die hohe Kante legte für den Fall, daß Schuldnerländer ihre Zinsen und Rückzahlungen nicht mehr leisten können. Damit ist das Engagement der Citi Bank an einer Rückzahlung noch nicht beendet. Im übrigen sind mit den drei Milliarden der Citi Bank auch längst nicht alle ihre Lateinamerika–Kredite abgedeckt. Dafür müsste sie abermals vier Milliarden „wertberichtigen“. Die Bank of Boston begründete ihren Schritt damit, daß sich die wirtschaftliche Lage in den Entwicklungsländern weiter verschlechtert habe und auch die letzten Umschuldungsverhandlungen keine Aussicht auf Lösung der Schuldenkrise aufzeigten. US– Bankexperten befürchten nun, daß sich die Branche spaltet. Am Ende dieses Prozesses stünden die wenigen Großbanken allein da, die aufgrund ihres sehr hohen Anteils an Lateinamerika–Krediten dieselben nicht sämtlichst abschreiben könnten, ohne die Pleite zu riskieren. Sie müssten weiterhin die Umschuldungen und Neukreditvergabe leisten, um die wirtschaftliche Existenz ihrer Schuldner noch notdürftig zu sichern. Auf der anderen Seite stünden Regionalbanken oder solche Häuser, die sich einen Ausstieg leisten könnten, weil sie die Länderrisiken bei ihrer früheren Kreditvergabe besser berücksichtigt hatten. Diese wollen das Problem nun endgültig loswerden, befürchtet Lawrence Cohn vom Brokerhaus Merrill Lynch. „All diese Dinge sind ein Nagel zum Sarg des Bakerplans“, bemerkte John Wash vom Bankenausschuß des US–Senats. Der Plan des US–Finanzministers von 1985 sah vor, daß Weltbank und Geschäftsbanken neue Kredite an die Schuldnerländer vergeben, wenn diese eine Wirtschaftsreform nach dem Gusto der Geldgeber anpeilen. Bereits Anfang des Jahres war es für die New Yorker Banken, die besonders hohe Lateinamerika– Kredite vergaben hatten, sehr schwierig, für einen Konsortialkredit über sechs Milliarden Dollar an Mexiko Kreditinstitute „aus der Provinz“ zu gewinnen. Insbesondere die Bank of Boston zeigte sich damals recht widerborstig. Inwieweit andere Regionalbanken sich dem Beispiel dieses Hauses anschließen können, wird allerdings auch davon abhängen, wie stark sie in andere Problembereiche der USA Kredite gesteckt haben: Landwirtschaft, Ölindustrie und Immobilien. Abschreibungen in entsprechender Höhe können nur von finanziell gesunden Banken verkraftet werden. In den USA gibt es eine ganze Latte finanziell kranker. ulk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen