: „Der Fisch stinkt vom Kopfe her“
■ Springer Verlag: Kirch bleibt „Mister 10 Prozent“ / Für heute geplante Aufsichtsratssitzung platzte / Burda–Brüder setzten sich durch / Kirch–Gruppe hält an ihren Plänen fest
Von Benedict M. Mülder
Berlin (taz) - Frohe Weihnachtsgrüße aus München erhielten Freunde des Hauses noch in dieser Woche, goldgerahmt. In Wirklichkeit aber schäumt man in der Unterföhringer Beta–Straße nahe München, dem Stammsitz der „Beta–taurus Film“ des Zelluloidgroßhändlers und Produzenten Leo Kirch. Sein Aufstieg im Springer–Imperium über den von ihm gehalte nen 10–Prozent–Anteil hinaus ist vorerst gescheitert. Die für heute nach Berlin gerufenen Aufsichtsräte wurden kurzfristig wieder ausgeladen. In lapidaren zwölf Zeilen informierte der AR–Vorsitzende Bernhard Servatius (“Diskretius“), der den über 4.000 Aktionären noch im August eine „abschließende“ Entscheidung bis zum Ende des Jahres versprochen hatte, gestern die Öffentlichkeit über das Fortdauern des Rumorens im Springer–Verlag. Die Gespräche der Aktionärsgruppen Springer, Burda und Kirch hätten nicht zu der Empfehlung an den Aufsichtsrat geführt, eine Änderung der Aktionärsstruktur einzuleiten. Servatius wörtlich: „Der Aufsichtsrat sieht keine Veranlassung, seine Richtlinien für die Übertragung von Aktien neu zu fassen. Ihm liegt auch kein Antrag vor, der auf die Genehmigung einer Übertragung weiterer Aktien auf die Gruppe Leo Kirch gerichtet wäre.“ In München reagierte die Kirch–Zentrale gestern auf die „Entscheidungs– und Zielschwäche im Springer–Verlag“ ausgesprochen erbost. Kirchs „Kronjurist“ und rechte Hand gar, der Bremer Rechtsanwalt Joachim Theye, machte starke Gerüche aus. „Der Fisch stinkt vom Kopfe her“, zitierte er ein hanseatisches Sprichwort. Sprecherin Armgard von Burgsdorff: „Das ist doch alles formaljuristisches Taktieren. Wenn wir mit den Aktionären zahllose Verständigungsgespräche führen, ist ein Antrag auf Übertragung weiterer Aktien doch überflüssig“. Die Pläne Kirchs seien seit langem bekannt und schriftlich vorgetragen worden. Burgsdorff macht „persönliche Einzelinteresen“, ein „Psychogramm der Macht und der Ohnmacht im Verlag“ für das vorläufige Scheitern Kirchs verantwortlich. Damit meint sie vor allem den hartnäckigen Widerstand der Brüder Franz und Frieder Burda, die seit kurzem 26,1 Prozent am Springer Verlag halten. Ihnen widerstrebt vor allem der von Kirch anvisierte „Medienverbund für die wechselseitige Promotion“ von Fernsehsendern und Presseerzeugnissen. Kirch soll aber inzwischen über den gleichen Anteil „disponieren“. Da es dabei um sogenannte vinkulierte Namensaktien einzelner Aktionäre geht, bedarf eine Übertragung auf Kirch der Zustimmung des Aufsichtsrates. Dazu meinte Theye, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des unter anderem von Kirch und Springer dominierten Privatsenders SAT 1 ist: „Kirch will und kann 16 Prozent kaufen, sobald die Übertragung vom Aufsichtsrat genehmigt ist.“ Seinen Widersachern, den Burdas, sprach Theye im übrigen jegliches verlegerisches Interesse ab. Die dächten nur daran, ihre Springer–Aktien wieder gewinnbringend zu verkaufen, frischte er ein altes Gerücht auf. Es hatte lange Zeit dazubeigetragen, daß sich auch die Witwe C. Springers, Friede, von den vermeintlichen Verkaufsabsichten Burdas beeindrucken ließ. Inzwischen aber sollen sich beide Seiten wieder näher gekommen sein, so daß Kirch nicht länger auf Friede Springer als Bündnispartnerin setzen kann. Gerade deshalb wohl forderte die Kirch– Gruppe gestern erneut: „Um den Konzern in die Medienzukunft zu führen, ist ein zielbewußtes Handeln aller Eigentümer erforderlich“. Und weil Kirch seiner unternehmerischen Verantwortung gerecht werden wolle, so drohte Theye, werde er seine Pläne früher oder später auch verwirklichen. Die einst von Servatius versprochene Beruhigung der Aktionärsstruktur löst sich damit vorerst in Luft auf. Der Verteilungskampf um das Erbe Springers wird auch im neuen Jahr fortgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen