Reformen durch Putsch

Eigentlich hätte es Proteste der Dogmatiker Jugoslawiens hageln müssen, als die Wochenzeitschrift Danas das Zehnpunkteprogramm veröffentlichte. Denn seine beiden Autoren, die Ökonomen Slavko Goldstein und Marijan Korosic, waren längst als liberale Reformer bekannt. Unter dem Titel „Zeit für radikale Profile“ schlagen die beiden weitreichende Schritte in Richtung Marktwirtschaft vor, lassen sich über leistungsorientierte Lohnsysteme und neue Gesetze zur Arbeitsvermittlung aus. Ihr Clou aber ist die Forderung, die Partei möge sich auf die Zeit vor 1958 zurückbesinnen, als nicht-kommunistische Abgeordnete in den Parlamenten vertreten waren und als die Arbeiterräte in den Fabriken ihre Direktoren noch wirklich wählten.

Um diese Zustände wieder zu erreichen, solle die gesamte Re gierung zurücktreten und einer Gruppe von Militärs unter Verteidigungsminister Branco Mamula Platz machen. Zur Mannschaft des Generals sollten – so der Vorschlag – seine Kollegen Koca Popovic, Eugen Pusic und Vojo Ovacevic gehören.

Diese Generäle, so die Begründung, seien sozialistische Persönlichkeiten mit demokratischer Orientierung. Sie würden sich über Partikularinteressen hinwegsetzen, Vertrauen in der Bevölkerung genießen und seien nicht korrupt. Noch einmal sollten damit die Unbestechlichen der Partisanenzeit das politische Ruder übernehmen.

Vor allem der Name Popovic steht für alte Heilserwartungen, die noch heute populär sind. Der Greis ist ein bekannter Schriftsteller, und als Surrealist gilt er, der Freund Andre Bretons, sogar noch in der Jugend etwas. Hinzu kommt seine makellose politische Vergangenheit als einer der Kommandeure der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg und als Kommandant der ersten aufständischen Guerrillaeinheit im jugoslawischen Befreiungskampf gegen die deutsche Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg. 1983 schmiß er mit Ekel vor dem machtsüchtigen Haufen in der Regierung das Parteibuch hin, weil „die die Revolution mit Füßen treten“.

„Koca Popovic, das war mal ein Punk“, sagt mir ein Jugendlicher in Ljubiljana, und sogar manche Redakteure der Zeitung Mladina wollen ihren Respekt vor der Person des Generals nicht verbergen. Doch der Rückzug in die Vergangenheit würde die Probleme des Landes wohl kaum lösen. Roland Hofwiler